Die Gründung der Europäischen Staatsanwaltschaft rückt näher

Die Gründung der Europäischen Staatsanwaltschaft
Mit der Annahme der EU-Verordnung zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (VO EuStA) durch das EU Parlament wird nunmehr mit der Aufnahme der Ermittlungstätigkeit im Jahre 2020 gerechnet. Wir hatten bereits kurz darüber informiert.
Für welche Straftaten wird die EU-Staatsanwaltschaft zuständig sein?
Der Zuständigkeitsbereich wird anfangs sehr eingegrenzt sein. Die Ermittlungstätigkeit wird sich ausschließlich auf Betrugsstraftaten erstrecken, welche die finanziellen Interessen der EU berühren. Die sachliche Zuständigkeit der EU Staatsanwaltschaft ergibt sich aus der Richtlinie 2017/1371 über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug.
Danach ist sie insbesondere für Betrug, wie Subventionsbetrug, Bestechung und Bestechlichkeit, Geldwäsche und vorsätzliche missbräuchliche Verwendung von EU-Mitteln, vor allem bei länderübergreifendem Bezug zuständig. So wird beispielsweise der Mehrwertsteuerbetrug erfasst, wenn er länderübergreifenden Charakter trägt und ein Mindestschaden von 10 Millionen Euro entstanden ist.
Zu den finanziellen Interessen der EU gehören jedoch nicht nur EU-Subventionen und Steuern, sondern sämtliche Einnahmen und Ausgaben sowie Vermögenswerte der EU.
Daher soll die EU-Staatsanwaltschaft auch für Straftaten zuständig sein, die mit den Betrugsstraftaten zu Lasten des EU-Haushaltes verbunden sind, es sei denn, die verbundenen Straftaten sind mit höheren Strafen bedroht, dann sind die nationalen Ermittlungsbehörden wieder zuständig.
Der Sitz der Europäischen Staatsanwaltschaft
Der Sitz der Europäischen Staatsanwaltschaft wird Luxemburg sein. Geleitet wird sie von einem Kollegium aus Europäischen Staatsanwälten. Alle 20 an der Teilnahme interessierten Länder (darunter auch Deutschland) werden einen Staatsanwalt in das Kollegium entsenden.
In den jeweiligen Mitgliedsländern werden delegierte Europäische Staatsanwälte ihren Dienst antreten.
Deutsche delegierte Europäische Staatsanwälte sind dann zuständig, wenn der Schwerpunkt der strafbaren Handlung einen Deutschlandbezug hat, also in den örtlichen Zuständigkeitsbereich der deutschen Staatsanwaltschaft fällt. Alle EU-Behörden und nationale Behörden haben entsprechende Verdachtsfälle der Europäischen Staatsanwaltschaft zu melden.
Welches Verfahrensrecht gilt für das Ermittlungsverfahren?
Es wird das jeweilige nationale Strafverfahrensrecht und die jeweilige nationale Gerichtsbarkeit zuständig sein. Nur in Ausnahmefällen wird der Europäische Gerichtshof zuständig sein.
Strafverteidigerseminare zur Big Data Analyse für Umfangsverfahren (Gastbeitrag)

Strafverteidigerseminare zur computergestützten Verarbeitung digitaler Massendaten
Die aktuelle Entwicklung geht seit Jahren dahin, dass der Staat massiv die Digitalisierung im Bereich der Inneren Sicherheit und der Strafjustiz betreibt. Das wird weltweit auch mit der vermeintlichen„terroristischen Bedrohung“ begründet. Die Ausweitung digitaler Überwachung und Ermittlung durch Sicherheitsbehörden und die Polizei stellt eine völlig neue Herausforderung für die Strafverteidigung dar. Die gerade im Strafrecht tätigen Rechtsanwälte sind angehalten, durch Einführung neuer Arbeitsmethoden diesen Anforderungen gerecht zu werden. Im Mittelpunkt steht dabei die Fähigkeit zur Verarbeitung digitaler Massendaten durch die Strafverteidigung. Strafverteidigerseminare sollen die neuen Arbeitsmethoden und insbesondere den Umgang mit der entprechenden Software vermitteln.
Wir sind überzeugt davon, dass nur die Strafverteidiger, die diese Klaviatur beherrschen, zukünftig in der Lage sein werden, optimale Ergebnisse für ihre Mandanten in Strafverfahren zu erzielen. Das betrifft vor allem Umfangsverfahren. Gleichzeitig wird die Befähigung zur Verarbeitung digitaler Massendaten gerade auch zum Aufspüren entlastender Beweismittel eine Chance geben, die es so bisher noch nie gegeben hat.
In Kooperation zwischen der Strafrechtskanzlei Dost-Roxin und dem Kriminologen und Rechtsanwalt Dr. Uwe Ewald bieten wir verschiedene Möglichkeiten zur Weiterbildung an. Dr. Uwe Ewald betreibt das International Justice Analysis Forum (IJAF). Wir erfassen derzeit über eine Umfrage weitergehenden Bedarf an Weiterbildung und Softwaretraining aus Sicht der Strafverteidigung.
Inhalt der Strafverteidigerseminare zur Bg Data Analyse
Besondere Herausforderungen an die anwaltliche Tätigkeit ergeben sich bei der Verarbeitung digitaler Massendaten (TKÜ, Handydaten, Online-Durchsuchung etc.). Wir bieten ab März 2018 verschiedene Möglichkeiten zur Weiterbildung an und erfassen über eine Umfrage weitergehenden Bedarf an Weiterbildung und Softwaretraining aus Sicht der Strafverteidigung angesichts der Herausforderungen bei der Verarbeitung digitaler Massendaten (TKÜ, Handydaten, Online-Durchsuchung etc.) besonders in Umfangsverfahren.
Das nachstehende Weiterbildungsangebot richtet sich primär an Rechtsanwälte und Analysten im Bereich der Strafverteidigung, die sich auf diese Herausforderungen einstellen und sich fit machen wollen und deshalb erforderliche Wissen und die notwendigen IT- und analytischen Fertigkeiten aneignen wollen.
Das Seminar- und Trainingsangebot zielt darauf ab, dem praktischen Bedürfnissen aktueller Strafverteidigung auf drei wesentlichen Ebenen zu entsprechen:
- Verstehen digitaler Informationsverarbeitung im Beweisverfahren:
Zu den aus der Digitalisierung im Bereich der Sicherheit und der Justiz folgenden neuen Herausforderungen an die Strafverteidigung werden grundlegende Kenntnisse vermittelt, welche die Teilnehmer und Teilnehmerinnen in den Stand versetzen werden, in kritischer Verteidigerperspektive die von der Staatsanwaltschaft in die Beweisaufnahme eingeführten digitalen Beweismittel zu überprüfen.
Insbesondere werden Fragen der Zulässigkeit digitaler Beweismittel und ihres Beweiswertes debattiert und die Methoden polizeilicher Ermittlungen (von TKÜ bis Online-Durchsuchung) und ihre kritische Bewertung erörtert. - Software-Anwendung: Strafverteidigung wird in bestimmten Bereichen wie z.B. Cybercrime nicht umhinkommen, anwendungsbereite Fähigkeiten zur Analyse digitaler Beweismittel auch in der Größenordnung von „Big Data“ zu entwickeln. An Fallbeispielen aufbereitetes Training wird die dazu notwendigen Fähigkeiten in der eigenständigen Anwendung von Software-Tools vermitteln. Teilnahme am Softwaretraining setzt Standard-Computerkenntnisse und die Bereitschaft voraus, Grundfunktionen neuer Software-Tools zur Auswertung forensischer Daten und zur Inhaltsanalyse digitaler Beweismittel wie auch Grundlagen analytischen Designs zu erlernen.
- Hands-on Workshops: Zunehmend sehen sich Strafverteidiger und Strafverteidigerinnen in der Situation, massenhaft digitale Beweismittel in konkreten Strafverfahren bearbeiten zu müssen, ohne die dazu notwendigen analytischen Fähigkeiten und eine entsprechende Beherrschung der Datamining- und Analyse-Software bereits ausreichend entwickelt zu haben. Das Format des „Hands-on Workshops“ schließt an die Kenntnisse von A) und B) an und unterstützt Strafverteidiger und Strafverteidigerinnen mit entsprechenden Vorkenntnissen bei der Auswertung konkreter Falldaten.
Kritik an der Reform der Vermögensabschöpfung

Die Reform der Vermögensabschöpfung - Welchen Gebrauchswert hat sie?
Am 01.07.2017 ist das Gesetz zur Reform der Vermögensabschöpfung in Kraft getreten. Damit wird die EU-Richtlinie 2014/42/EU in das deutsche Recht umgesetzt. Der Umfang der Änderungen, die im materiellen Recht und auch in den Verfahrensvorschriften bzgl. der strafrechtlichen "Vermögensabschöpfung" (= Einziehung) vorgesehen sind, sind erheblich. War das wirklich nötig?.
Die rückwirkende Anwandung der der neuen Regelungen zur Einziehung
Fakt ist dabei, dass diese Reform auch sofort umzusetzen ist. Da es sich nicht um eine Sanktion handelt, gilt auch das strenge Rückwirkungsgebot nicht. Folglich werden sie auch auf (vvermeintliche) Straftaten angewendet, die vor der Reform begangen worden sein sollen, aber erst danach Gegenstand von Ermittlungsverfahren sind.
Seit der Reform ist dieses Gesetz Gegenstand von erheblicher Kritik. Der deutsche Richterbund beklagt hauptsächlich den erheblichen Mehraufwand für die Strafverfolgungsbehörden. Die Bundesrechtsanwaltskammer prognostiziert eine mögliche Privilegierung des Staates als Einziehungsgläubiger.
Die Gesetzesbegründung wartet mit hauptsächlich zwei Argumenten auf. Es bestehe "europarechtlicher Handlungsbedarf" und ein "Bedürfnis der Strafrechtspraxis".
Die Argumente der Gesetzesbegründung für die Reform der Vermögensabschöpfung
In der Gesetzesbegründung wird auf die EU-Richtlinie vom 03.04.2014 verwiesen und behauptet, dass sich eine Reform der Vermögensabschöpfung aus dem europäischen Recht selbst ergeben würde. Das ist nicht überzeugend. Denn auch das frühere Recht war weitestgehend europarechtskonform ausgestaltet. Eine vollständige Umgestaltung ist nicht erkennbar.
Das Argument des praktischen Reformbedürfnisses wird auch dami untersetzt, in der Vergangenheit sei zu selten und zu wenig abgeschöpft worden sei. Das hätte vor allem an der Komplexität und Unübersichtlichkeit des alten Rechts. Nun gut. Aber die Reform hat dieses Dilemma nicht beseitigt.Der Aufwand für die Verfolgungsbehörden und Gerichte ist gestiegen, wie der Richterbund einschätzt. Die Gründe, die die Gesetzesbegründung liefern soll, leiden sämtlichst Not.
Kritik an der inhaltlichen Ausgestaltung:
Das Bruttoprinzip bei der Reform der Vermögensabschöpfung
Wo früher die Härteklausel die Beschränkung nach oben hin vorgenommen hat, zeigt sich jetzt gähnende Leere. Das Bruttoprinzip verbleibt als Grundlage für die Einziehungsentscheidung ohne jedoch ein Korrektiv zum Schutze des Betroffenen vorweisen zu können. In der Begründung wird darauf verwiesen, dass die Konkretisierung des Brutto-Prinzips verhindern werde, dass sich die Einziehung zur Vermögensstrafe ausweitet. Faktisch ist jedoch genau das Gegenteil der Fall.
Die vorläufige Sicherstellung
Auch im Bereich der vorläufigen Sicherstellung sind die Regelungen weggefallen, die für eine Begrenzung sorgten. Die frühere Regelung des Sicherungsbedürfnisses in § 111d Abs.2 StPO a.F. ist weggefallen. Als Beschränkung dient nur noch der allgemeine verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Ohne Konkretisierung liegt die Rechtsanwendung und Interpretation vollständig in den Händen der Richter. Das Risiko der Schaffung vollendeter Tatsachen ist dadurch noch mehr gestiegen.
Je länger eine solche Maßnahme aufrecht erhalten wird, desto höhere Anforderungen werden an den Verdachtsgrad gestellt - das war zumindest bis vor Kurzem noch so. Auch diese Beschränkung wurde ersatzlos gestrichen. Auch hier soll der allgemeine Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausreichen um den Betroffenen Schutz zu bieten. Aber gerade bei solch einschneidenden Grundrechtsbeeinträchtigungen ist besonderer Schutz gefragt. Bei der Stufenregelung des § 111b III StPO a.F. lag das Begründungserfordernis bei der Justiz. Durch die Abschaffung wurde dies auf den Betroffenen abgewälzt.
Die nachträgliche selbstständige Vermögensabschöpfung
Nun ist eine selbstständige Einziehungsentscheidung unabhängig vom Verfahren der Hauptsache möglich. Sogar bei Strafklageverbrauch. Voraussetzung ist lediglich, dass das Gericht zur Einziehungsfrage keinerlei Entscheidung getroffen hat. Dadurch entsteht eine unbegrenzte Anwendbarkeit und faktisch eine Pflicht zur Aufarbeitung bereits abgeschlossener Fälle. Und wieder: Mehr Aufwand, statt Arbeitserleichterung!
Die verurteilungsunabhängige Einziehung
Die Anordnung der Einziehung kann nun losgelöst von der gerichtlichen Feststellung einer rechtswidrigen und schuldhaften Tat erfolgen. Damit muss das Strafgericht nu davon überzeugt sein, dass ein bestimmter Gegenstand eine deliktische Herkunft hat. Doch diese Neukonzeption verstößt gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 261 StPO und der Unschuldsvermutung nach Art.6 Abs. 2 EMRK. Auch das Bestimmtheitsgebot steht in Frage. Voraussetzung ist lediglich die illegale Quelle - Die Auslegung dieses Begriff liegt wieder in den allmächtigen Händen des Gerichts.
Gefährdung des Grundsatzes der Aussagefreiheit
Grundsätzlich hat jeder das Recht seine Aussage bei Polizei oder vor Gericht zu verweigern, wenn er sich damit selbst belasten müsste. Durch die Beweislastumkehr bzgl. der Frage der legalen oder illegalen Herkunft der fraglichen Gegenstände, ist jedoch genau dieses Recht gefährdet. Besonders wenn die Einziehung der Gegenstände dem Betroffenen wirtschaftlich nicht zuzumuten ist, besteht ein Aussagezwang. Denn nur durch eine Aussage kann er eventuell sein Hab und Gut retten.
Schlusswort zur Reform der Vermögensabschöpfung
Die Reform der Vermögensabschöpfung hat zu einem Wegfall zahlreicher Schutzvorrichtungen und Beschränkungen der staatlichen Gewalt geführt. Dadurch ist das Vermögensabschöpfungsrecht zu einer Falle für jeden geworden, der sich mit wirtschaftsstrafrechtlichen Vorwürfen konfrontiert sieht. Wir empfehlen einen kompetenten Anwalt für Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht aufzusuchen. Gerne stehen wir Ihnen zur Verfügung.
Rache ist Blutwurst-die anonyme Strafanzeige gegen ein Unternehmen

Die anonyme Strafanzeige als Auswurf schlechter Manieren
In den letzten Jahren fällt mir immer mal wieder eine Strafanzeige auf, die sich später als wissentlich falsche Verdächtigung herausstellt. Dabei auffällig ist, dass es sich um Anzeigen gegen Unternehmen handelt und diese anonym erstattet werden. Für die davon betroffenen Unternehmen zieht das Unannehmlichkeiten nach sich. Denn so manches mal werden die Geschäftsräume durchsucht und die Geschäftsführung ist angesichts des eröffneten Tatverdachts sprachlos. Nicht etwa deshalb, weil sich die Geschäftsführung "ertappt" fühlt. Vielmehr wegen der aus der Luft gegriffenen Verdächtigungen. So geschah es erst dieses Jahr in Berlin.
Die anonyme Strafanzeige gegen ein Berliner Unternehmen
Eine anonyme Strafanzeige behauptete unerlaubten Umgang mit Abfällen (§326 Abs.1 StGB) durch den Inhaber eines KfZ-Meisterbetriebs. Die vermeintlichen Verunreinigungen wurden detailreich beschrieben. Der Anzeigeerstatter musste die Örtlichkeiten gut kennen, denn sonst hätte er sie so nicht beschreiben können. Und er muss auch "alles" gesehen haben, was angeblich an Umweltschweinereien durch die Verantwortlichen teils selbst verbrochen, teils angewiesen wurde. Denn er schilderte, wer wann was an Ölen in welchen öffentlichen Abwassergully entsorgt habe.
Untersuchungen durch das Bezirksamt und das Berliner Landeskriminalamt
Die Strafanzeige führte zur Durchsuchung der Geschäftsräume. Ein Berliner Bezirksamt rückte an, um die Vorwürfe zu untersuchen. Und das LKA Berlin entnahm aus Werkstattgruben, Abflussröhren und öffentlichen Gullys Flüssigkeits- und Bodenproben. Der Inhaber des Unternehmens legte die Bescheinigungen der letzten 10 Jahre für die ordnungsgemäße Entsorgung (Abfur) von Altölen vor. Er versuchte sich so zu entlasten. Aber die Untersuchungen und der Ermittlungsaufwand wurden durchgeführt. Sie waren zeitaufwendig und teuer. Tatsächlich konnten bei der Untersuchung Stoffe gefunden werden, die geeignet gewesen wären, ein Gewässer, die Luft oder den Boden zu verunreinigen. Aber letztlich stellte sich heraus, dass es an der vom Gesetzgeber geforderten "Nachhaltigkeit" fehlte. Im Übrigen waren das solche Altablagerungen, die schon vor der dortigen Niederlassung des jetzt betroffenen Unternehmens in den Boden gekommen waren. Außerdem wurde festgestellt, dass die Werkstattgruben den vorgeschriebenen Standard ausweisen und Altöle nicht in das Erdreich eingedrungen waren. Die Mehrzahl der Vorwürfe, die mit der anonymen Strafanzeige erhoben wurden, fanden nicht einmal im Ansatz eine Bestätigung. Das Verfahren wurde letztlich nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Was tun im Falle einer anonymen Strafanzeige?
Meistens bleibt den betroffenen Unternehmen keine Chance, die Anonymität des Anzeigeerstatters beweissicher zu "knacken". Auch hier war es nicht anders: der Verdacht ist groß, dass es sich um einen ehemaligen Mitarbeiter handelte, dem gekündigt wurde und der sich nun mit der Strafanzeige "rächte". Ganz in dem Sinne "Rache ist Blutwurst". Aber beweisen lässt sich der Verdacht in diesem Fall nicht.
Erläuterungen zum Umweltstrafrecht finden Sie auch hier.
Unterschied zwischen Zahlungsstockung und Zahlungsunfähigkeit
Zur Antragspflicht nach § 15a InsO und dem Unterschied zwischen Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsstockung

Der Fall
Mein Mandant, ein Geschäftsführer einer kleinen Baufirma, geriet in das Visier der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Wirtschaftskriminalität, weil sein zuständiges Vollstreckungsgericht gemäß MiZi eine entsprechende Mitteilung über eine Reihe von Vollstreckungsmaßnahmen gegen die Baufirma veranlasste.
Es lag weder ein Fremd- noch ein Eigenantrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vor.
Die Staatsanwaltschaft eröffnete ein Ermittlungsverfahren und machte ihm den Vorwurf der Insolvenzverschleppung nach § 15a InsO. Sie meinte, er hätte bereits ein Jahr zuvor einen Antrag stellen müssen, obwohl sich das Unternehmen inzwischen wieder finanziell erholt und seine Schulden weitestgehend getilgt hatte.
Der Tatbestand
Zur Antragspflicht nach § 15a Abs.1 InsO, hat der oder die Geschäftsführer des Unternehmens einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen, wenn Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegt. Spätestens jedoch drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung.
Es besteht keine Antragspflicht nach § 15a InsO bei drohender Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 InsO.
Als allgemeiner Eröffnungsgrund gilt die Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs.1 InsO, die nach § 17 Abs.2 InsO gegeben ist, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Angenommen werden kann dies, wenn der Schuldner seine Zahlungen einstellt. Vorübergehende geringfügige Liquiditätslücken rechtfertigen ein Insolvenzverfahren nicht. Insofern ist zwischen Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsstockung, also der vorübergehenden Liquiditätsschwäche des Unternehmens, zu unterscheiden.
Die Zahlungsunfähigkeit
Die Zahlungsunfähigkeit wiederum ist Ausdruck des Unvermögens des Schuldners, seine Geldschulden zu begleichen und stellt eine zeitbezogene Beurteilung eines gewissen Zustandes dar, welcher die Insolvenz zwar regelmäßig spät auslöst, aber als Insolvenzeröffnungstatbestand ökonomisch legitimiert ist. Um feststellen zu können, ob der Schuldner zahlungsunfähig ist, lässt sich nur an Hand eines Stichtags bezogenen Liquiditätsstatus feststellen. Nur an Hand dieses Status lässt sich beurteilen, wo die Liquiditätslücken bestehen, wie groß sie sind und ob sie von Dauer sind. In der Praxis lässt sich häufig ein solcher Liquiditätsstatus erst im Nachhinein beweissicher feststellen. Die Lebenswirklichkeit sieht häufig anders aus. Was hier an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden soll.
Tatsache ist, dass jedoch erst ein solcher Liquiditätsstatus zu einem bestimmten Stichtag geeignet ist, die Zahlungsunfähigkeit festzustellen. In dieser Stichtagsbilanz werden verfügbare Zahlungsmittel und die zu diesem Zeitpunkt fälligen unstreitigen Zahlungsverpflichtungen gegenüber gestellt.
Die drohende Zahlungsunfähigkeit
Bei sog. drohender Zahlungsunfähigkeit (§18 InsO) kann, aber muss der Schuldner keinen Insolvenzantrag stellen. Es soll ihm die Möglichkeit eröffnen, noch vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung einen Eröffnungsantrag zu stellen, um so die Chancen einer Sanierung des Unternehmens im Rahmen des Insolvenzverfahrens zu erhöhen (Braun, InsO, 7.Auflage, §18, RNr.1,2).
Die Beurteilung der drohenden Zahlungsunfähigkeit erfolgt Zeitraum bezogen. Für welchen Zeitraum hier eine Prognose anzustellen ist, ist streitig. In der Literatur variieren die Ansichten zwischen wenigen Monaten bis zu mehreren Jahren (a.a.O., RdNr. 8).
Um den Eröffnungstatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit in Anspruch nehmen zu können, müssen die in § 17 Abs.2 InsO vorgegebenen Kriterien der Zahlungsunfähigkeit voraussichtlich, also mit überwiegender Wahrscheinlichkeit, eintreten. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit mit einer Wahrscheinlichkeit von über 50% gegeben ist. Um die drohende Zahlungsunfähigkeit zu prüfen, ist ein Finanzplan zu erstellen, in dem alle bestehenden Zahlungsverpflichtungen unabhängig von ihrer Fälligkeit einbezogen werden. Ebenfalls sind die vorhandene Liquidität und die zu erwartenden Einnahmen zu berücksichtigen. Hierbei sind die im Liquiditätsstatus aufgeführten Positionen dynamisch weiter zu entwickeln (Hess, Insolvenzrecht,2003, RdNr. 67).
Das Tatbestandsmerkmal der Zahlungsunfähigkeit ist dann erfüllt, wenn zu jedem beliebigen Zeitpunkt die verfügbaren Zahlungsmittel die jeweiligen Auszahlungen nicht decken. Hierzu ist eine Prognose, wie bereits erwähnt, von Nöten, die eine Objektivierung des Insolvenztatbestandes gewährleisten kann.
Die Einstellung
Im vorliegenden Fall war die Ermittlungsbehörde hierzu nicht in der Lage, so dass die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen meinen Mandanten auf meinen Antrag gem. § 170 II StPO einstellte.
Die Verletzung der Insolvenzantragspflicht nicht unter Strafe stellen - eine Forderung des 41. Strafverteidigertages
Die Verletzung der Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO nicht unter Strafe zu stellen, war eine Forderung auf dem 41. Strafverteidigertag in Bremen (24.-26.3.2017).

Der mit über 800 Strafverteidigern gut besuchte 41. Strafverteidigertag beschäftigte sich u.a. in der Arbeitsgruppe 6 mit dem Insolvenzstrafrecht unter dem Motto "Der Schrei nach Strafe".
Als unnötig wurde von vielen, der in der AG 6 mitarbeitenden Kollegen, der in § 15a Inso enthaltene Straftatbestand der Verletzung der rechtzitigen Stellung eines Insolvenzantrages gesehen. Die hier enthaltene Strafandrohung hält niemanden in der Praxis wirklich an, rechtzeitig, innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist, den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen. Vielfach ist es selbst bei gutem Willen der Geschäftsleitung gar nicht möglich, die recht kurze Frist von drei Wochen einzuhalten.
Kollegen haben auch darauf hingewiesen, dass andere europäische Rechtsordnungen ohne einen vergleichbaren Tatbestand in ihrem Wirtschaftsstrafrecht auskommen (z.B. England).
All dies mündete nach ausführlicher Diskussion in den folgenden Forderungen zur Reform des Insolvenzstrafrechtes:
• Das materielle Insolvenzrecht ist zu entkriminalisieren und zu entschlacken.
• De lege ferenda sind mindestens die Fahrlässigkeitstatbestände abzuschaffen.
• Eine frühzeitige Insolvenzantragsstellung kann durch eine Strafvorschrift nicht erreicht werden.
• Schutzzweck der Insolvenzdelikte ist allein das Gläubigerinteresse und nicht ein darüber hinaus gehendes Allgemeininteresse.
• Das Tatbestandsmerkmal der Überschuldung sollte ersatzlos gestrichen werden.
• Das normative Tatbestandsmerkmal der Zahlungsunfähigkeit ist für die Zwecke des Strafverfahrens nicht justiziabel.
• Die Insolvenzgerichte dürfen Mitteilungen an die Staatsanwaltschaft nicht automatisiert und in jedem Fall gewerblicher Insolvenz auf den Weg bringen.
• Nur bei begründetem Verdacht darf eine entsprechende Mitteilung erfolgen.
• Hierbei ist das Verwendungsverbot des § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO zu beachten.
• Insbesondere die praktizierte flächendeckende Beiziehung der Insolvenzakten zur systematischen Auswertung ist ohne hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte rechtswidrig.
Der Täterkreis der Bestechlichkeit im Gesundheitswesen

Der Täterkreis der Bestechlichkeit - Wer kommt als Täter in Betracht?
Mit dem Antikorruptionsgesetz wurden zur Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) zwei neue Tatbestände geschaffen; die Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen (§§ 299a, 299b StGB).
Bei diesen zwei neuen Tatbeständen handelt es sich um Sonderdelikte, die nicht jedermann verwirklichen kann. Als Täterkreis kommen nur Personen mit ganz besonderen persönlichen Merkmalen in Betracht. Der Bestechlichkeit im Gesundheitswesen kann sich nur strafbar machen, wer Angehöriger eines Heilberufes ist. In § 299 b (1) StGB heißt es hierzu:
„Wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er
- bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten,
- bei dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, oder
- bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial
einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Wer ist ein Angehöriger eines Heilberufes, der für die Berufsausübung oder der Führung der Berufsbezeichnung eine stattlich geregelte Ausbildung absolviert haben muss oder hätte müssen?
Der Felix Krull des Gesundheitswesens
Auch ein Felix Krull im Gesundheitswesen kann sich damit einer Bestechlichkeit im Gesundheitswesen strafbar machen, auch wenn er nur vorgibt Arzt zu sein und es ihm beispielsweise gelingt, als solcher in einem Krankenhaus angestellt zu werden. Abgesehen von weiteren Straftatbeständen würde auch der medizinische Hochstapler vom § 299 a StGB erfasst. „Erfordert“ ist schließlich nicht mit „abgeschlossen“ gleichzusetzen.
Da es hiervon zum Glück nicht allzu viele gibt, bleibt die Frage wer noch vom Täterkreis erfasst wird.
Auf der Hand liegt, dass der Täterkreis relativ weit gefasst ist.
Erfasst sind niedergelassene wie angestellte Ärzte, Zahnärzte, Gesundheits- und Krankenpfleger, Pharmazeutisch-Technische Angestellte, Logopäden, Ergotherapeuten, Physiotherapeuten und Psychologische Psychotherapeuten.
Der Apotheker
Der Apotheker ist weitest gehend ausgeschlossen. Er ist faktisch aus dem Tatbestand der Bestechlichkeit im Gesundheitswesen herausgenommen worden, weil Abgabeentscheidungen nicht vom Tatbestand erfasst werden. Hintergrund ist, dass der Apotheker regelmäßig keine Bezugs- und Abgabenentscheidungen trifft, der unmittelbar eine Anwendung auf den Patienten folgt. Auf der Geberseite bleibt da nur noch die Bestechung des Arztes, damit dieser ihm seine Patienten schickt.
Der Augenoptiker
Der Augenoptiker benötigt für seine Berufsausübung eine Ausbildung auf der Grundlage des § 25 Abs.1 HandwO i.V.m. mit der Augenoptiker-Ausbildungsverordnung.
Der Augenoptiker ist ein auf wissenschaftlicher Grundlage ausgebildeter Handwerker, der sich mit der Anfertigung, Anpassung, dem Verkauf und der Beratung von Sehhilfen und Sehinstrumenten aller Art befasst. Er ist ein „Monoberuf“ und demnach keiner Berufsgruppe zu-, bei-, über- oder unterzuordnen (https://de.wikipedia.org/wiki/Augenoptiker).
Daher ist mehr als fraglich, ob der Augenoptiker Angehöriger eines Heilberufes im Sinne des § 299b StGB ist.
Korruptionsgefahr im Gesundheitswesen

Wider die Korruptionsgefahr
Nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29.3.2012 – GSSt 2/11 – sah sich der Gesetzgeber veranlasst, zwei neue Korruptionsstraftatbestände in das Strafgesetzbuch ( StGB ) aufzunehmen.
Ärzte hatten eine 5%ige Prämie auf den Herstellerabgabenpreis für Medikamente als Honorar für fiktive wissenschaftliche Vorträge vom Hersteller erhalten. Dazu stellt der BGH fest, dass niedergelassene, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassene Ärzte dafür nicht strafrechtlich belangt werden können. Denn § 299 StGB (Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr) sei nicht anwendbar. Denn, so der BGH, die Ärzte seien weder Amtsträger noch Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen. Also lag eine Gesetzeslücke vor, die eine Strafbarkeit ausschloss.
"Nieder mit der Ärzte-Korruption"
Unter der Überschrift "Nieder mit der Ärzte-Korruption" äußerte sich BGH-Richter Prof. Thomas Fischer in einer Kolumne auf "ZEIT ONLINE" dazu. Er schrieb:
"Heilberufe und ihre Zulieferer haben im Kampf um ihre eigene Existenz manches Kavaliersdelikt ersonnen. Das Bundeskabinett hat beschlossen: Ab jetzt wird durchgegriffen".
Neues Gesetz schließt Gesetzeslücke und begründet Korruptionsgefahr
Mit dem am 4.6.2016 in Kraft getretenen „Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen“ wurde die Gesetzeslücke geschlossen. Damit entstand ein neues Richtmaß zwischen zulässigem Wettbewerb und unlauterer Beeinflussung im Bereich des Medizinalwesens.
Zum Inhalt des Gesetzes und zum Hintergrund der neuen Straftatbestände finden sich hier weitere Informationen.
Unlautere Beeinflussung des Wettbewerbes im Gesundheitswesen
Eine unlautere Beeinflussung des Wettbewerbs im Sinne der neuen §§ 299 a, 299b StGB kann zukünftig all das sein, was über den Zweck einer allgemeinen „Klimapflege“, des Schaffens eines allgemeinen Wohlwollens oder „Anfütterns“ hinausgeht. Daher kann jede mittelbar oder unmittelbar angestrebte oder vereinbarte Besserstellung gegenüber einem Mitbewerber strafrechtlich relevant sein.
Konkrete Korruptionsgefahr für Ärzte und andere Heilberufe
Ein Beratervertrag mit einem Pharmaunternehmen kann korruptionsrelevante Inhalte aufweisen. So etwa, wenn die zu vergütende Leistung nicht oder zu ungenau vereinbart wurde. Oder auch, wenn damit die kostenlose Teilnahme an Kongressen verbunden ist. Auch die Gewährung übergebührlicher Rabatte gehört dazu. Nicht zu vergessen ist die Gewährung besonders günstiger Preise für Praxisausstattungen.
Die Grenzen zwischen zulässiger Imagepflege und unzulässiger Beeinflussung des Wettbewerbs im Gesundheitswesen sind fließend. Deshalb dürften in der Praxis juristische Abgrenzungsprobleme auftreten. Zusammenfassend muss von einer erheblichen Korruptionsgefahr für Ärzte und Angehörige anderer Heilberufe ausgegangen werden.
Ärzte sollten gegen die Korruptionsgefahr präventiv handeln
Um den Gefahren zu begegnen, sollten viele alte Regelungen überprüft werden. Dazu gehören z.B.:
- Absprachen zwischen überweisenden Praxen und überweisungsempfangenden Kliniken;
- Vereinbarungen zwischen Praxen und Laboren;
- Beteiligungen von Arztpraxen an gewerblichen Laboren;
- das Partnerfactoring;
- alle Arten von Rabatt- und Preisnachlassvereinbarungen;
- das Sponsoring von Fortbildungsveranstaltungen;
- Kooperationsvereinbarungen in der Medizin
Etwaiges zukünftiges Fehlverhalten kann nicht nur strafrechtliche Konsequenzen, sondern auch medizinrechtliche Folgen haben. Die gilt es zu vermeiden. Deshalb muss gehandelt werden. Denn tragbare Lösungen im Einklang mit dem jeweiligen Berufsrecht, den Abgabe - und Preisvorschriften sowie Wettbewerbsregelungen sind möglich.
Strafrechtlicher Nachgeschmack bei Geschäftsessen
Vorteilsannahme des Bürgermeisters wegen Geschäftsessen?

Dem Bürgermeister sollten nach Auffassung der Staatsanwaltschaft Geschäftsessen als Vorteilsannahme zur Last fallen. Der Bürgermeister, der gleichzeitig Aufsichtsratsmitglied und Gesellschaftvertreter eines zu 100 % der Kommune gehörenden Unternehmens ist, wurde der Vorwurf der Straftatvorwurf deshalb gemacht, weil er sich regelmäßig aus Anlass der Durchführung von Gesellschafterversammlungen und Aufsichtsratssitzungen vom dem Kommunalunternehmen hat bewirten lassen.
Der Straftatbestand der Vorteilsannahme
Nach § 331 (1) StGB wird bestraft, wer als Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt.
Der Amtsträger als Täter
Täter des Straftatbestandes der Vorteilsannahme können nur Amtsträger bzw. Personen sein, die die Amtsträgereigenschaft zum Zeitpunkt der Tathandlung besitzen.
Der Mandant ist hauptamtlicher Bürgermeister einer Stadt und als solcher Amtsträger im Sinne von § 11 Ziff. 2 StGB. Als Bürgermeister ist er automatisch Aufsichtsratsmitglied eines kommunalen Unternehmens, welches zu 100 % der Stadt gehört.
Der Bürgermeister der Stadt ist nach der Satzung des Kommunalunternehmens geborenes Mitglied des Aufsichtsrates ist, insofern in der Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender als Amtsträger im Sinne von § 331 (1) StGB anzusehen, wenn das Kommunalunternehmen zwar in privatrechtlicher Organisationsform, jedoch zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gegründet wurde und die Tätigkeit des Unternehmens als solches der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben dient. Klingt kompliziert und was das alles mit Geschäftsessen zu tun haben könnte, erschließt sich nicht sofort.
jedenfalls kann der Aufsichtsratsvorsitzende auch als Amtsträger im Sinne von § 331 (1) StGB angesehen werden, wenn das Kommunalunternehmen als sog. "sonstige Stelle" anzusehen ist und einer behördlichen Einrichtung gleichzustellen wäre, weil das Kommunalunternehmen vornehmlich bei der Wahrnehmung ihrer satzungsmäßigen Aufgaben derart staatlicher Steuerung unterliegt, dass sie bei Gesamtwertung der sie kennzeichnenden Merkmale gleichsam als verlängerter Arm des Staates, in diesem Fall der Stadt/Kommune, erscheint (BGHSt 43, 370, 377; BGHSt 45, 15). Immer noch stellt sich nicht die Frage, ob der Bürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzender in einer Person ungestraft an Geschäftsessen teilnehmen darf.
Bei der Frage der Amtsträgereigenschaft ist allerdings vordergründig nicht die Organisationsform als solche relevant, sondern die Art der Aufgabe. Amtsträger ist, wer dazu bestellt ist, bei oder im Auftrag einer Behörde oder "sonstigen Stelle" Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. Die Amtsträgereigenschaft setzt somit stets die Tätigkeit bei oder im Auftrag einer Behörde oder sonstigen Stelle voraus. So nimmt zwar das Kommunalunternehmen durchaus öffentliche Interessen bzw. öffentliche Aufgaben wahr, in der Gesamtbetrachtung scheint jedoch aber zweifelhaft, ob eine Gleichstellung mit einer Behörde gerechtfertigt ist.
Ein vornehmlich marktwirtschaftlich orientiertes Unternehmen der Kommune, das an der Gewinnerzielung ausgerichtet ist ergibt sich allein aus der Inhaberschaft der öffentlichen Hand noch nicht zwingend die staatliche oder kommunale Steuerung der Gesellschaft. Ähnlich wie bei einer Flughafengesellschaft (BGH 2 StR 437/98) unterliegen auch andere Kommunale Unternehmen einer Vielzahl von Vorschriften des privaten und öffentlichen Rechts, so dass je nach Branche kaum Unterschiede zwischen einem privaten Unternehmen und einem privatrechtlich organisierten Unternehmen in öffentlicher Trägerschaft bestehen.
Vorteilsannahme während Dienstausübung
Bei Bejahung der Amtsträgereigenschaft des Beschuldigten muss die Tat im Rahmen seiner Dienstausübung erfolgt sein. Die Handlung muss sich auf die Dienstausübung als Amtsträger beziehen. Etwaige Privathandlungen oder Nebentätigkeiten des Beschuldigten werden nicht vom Tatbestand erfasst. Nun stellt sich noch immer die frage, ob ein Geschäftsessen eine strafbare Handlung sein kann.
Vorteil als Tatbestandsmerkmal
Ein Vorteil im Sinne von § 331 StGB ist jedwede Zuwendung an den Amtsträger oder einen Dritten in materieller oder immaterieller Form, die zu einer wirtschaftlichen, rechtlichen oder auch persönlichen objektiven Besserstellung führt und auf die kein rechtlich begründeter Anspruch besteht. darf nun ein Bürgermeister bei einem Geschäftsessen seinen Hunger ungestraft stillen?
Grundsätzlich ist es Beamten verboten, Belohnungen, Geschenke oder sonstige Vorteile anzunehmen (z. B. § 71 BBG). Nach den Landesgesetzen entscheidet über Ausnahmen vom generellen Verbot der Annahme von Belohnungen, Geschenken oder sonstigen Vorteilen die oberste Dienstbehörde. Hierzu existieren in den Bundesländern diverse Verwaltungsvorschriften und Richtlinien die eine Orientierung bieten. Ist das Geschäftsessen eine Belohnung oder ein Geschenk?
Die Bewirtung durch Dritte kann einen solchen Vorteil darstellen, soweit nicht eine Ausnahme oder Zustimmung vorliegt. Es werden Ausnahmen vom Verbot gemacht, soweit eine stillschweigende Zustimmung anzunehmen ist. Eine stillschweigende Zustimmung liegt dann vor, wenn es sich bei der Bewirtung um eine übliche und im Hinblick auf den Anlass angemessene Bewirtung bei Gelegenheit dienstlicher Handlungen oder bei Veranstaltungen außerhalb der öffentlichen Verwaltung, an denen die oder der Beschäftigte im Rahmen ihres oder seines Amtes, in dienstlichem Auftrag oder mit Rücksicht auf die ihnen oder ihm durch das Amt mit auferlegten gesellschaftlichen Repräsentationspflichten mit Bezug auf ihr oder sein Aufgabengebiet teilnimmt. Als Beispiele werden hier die Einführung oder Verabschiedung von Amtspersonen, offizielle Veranstaltungen, gesellschaftliche Veranstaltungen, Jubiläen, Einweihungen, Eröffnungen, Betriebsbesichtigungen, Partnerschaften, Sitzungen von Organen wirtschaftlicher Unternehmen, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist, ausdrücklich genannt. Dabei darf sich die gesellschaftliche Vertretung nur auf die Behördenleitung und im Einzelfall schriftlich beauftragte Beschäftigte beschränken.
Als sozial adäquat sind Leistungen anzusehen, die der Höflichkeit und Gefälligkeit entsprechen und sozial üblich sind und daher auch allgemein gebilligt werden.
Bewirtungen (und somit auch Geschäftsessen), deren Umfang sich im Rahmen des nach Anlass und Status der Beteiligten im Üblichen hält und denen gleichwertige Gegeneinladungen durch den Amtsträger gegenüber stehen, sind nicht als Vorteile im Sinne von § 331 StGB anzusehen.
Selbst umfangreiche Bewirtungen können im Einzelfall als unbedenklich angesehen werden (BGH 31, 279).
Vorteilsannahme erfordert Unrechtsvereinbarung
Zwischen der Dienstausübung und der Vorteilszuwendung bedarf es als Tatbestand einer inhaltlichen Verknüpfung einer Übereinkunft zwischen dem Amtsträger und dem Vorteilsgewährer in Form einer sog. Unrechtsvereinbarung , wobei eine vertragsähnliche Vereinbarung nicht Voraussetzung ist. Es reicht aus, wenn beide Seiten bewusst eine Verknüpfung zwischen Dienstausübung und Vorteil herbeiführen. Der Vorteil muss für die Dienstausübung gefordert, versprochen oder angenommen werden, d.h. der Vorteil muss für und durch den Beschuldigten in seiner Funktion als Amtsträger angenommen werden, wofür eine Gegenleistung verabredet wird.
Der § 331 StGB setzt ein sog. Gegenseitigkeitsverhältnis voraus. Es muss der Vorteilsgewährer mit der Vorteilsgewährung für sich bzw. für das von ihm vertretene Unternehmen einen unrechtmäßigen Vorteil verbinden. dabei kann eine stillschweigende Übereinkunft der Beteiligten ausreichen.
Unser Bürgermeister kein Straftäter wegen Teilnahme an Geschäftsessen

Auf Grund einer von uns vorgelegten Schutzschrift wurde das gegen den Bürgermeister eingeleitete Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft eingestellt. Wie Sie hier lesen können ist die Materie für den juristischen Laien kompliziert, trocken und regt den Appetit nicht an. Für Bürgermeister und andere Amtsträger können Geschäftsessen aber einen strafrechtlichen Nachgeschmack entwickeln. Versuchen Sie ihn los zu werden, in dem Sie rechtzeitig Strafverteidiger zur Neutralisierung des strafrechtlichen Nachgeschmacks beauftragen. Das gilt nicht nur für Geschäftsessen. Weitere Informationen zur Vorteilsannahme finden Sie hier.
Freispruch vom Vorwurf des unerlaubten Umgangs mit Abfall

Kein unerlaubter Umgang mit Abfall
Die Staatsanwaltschaft Berlin warf einem Unternehmer eine für heutige Zeiten typische Umweltstraftat vor. Die Anklage ging von unerlaubten Umgang mit Abfall gem. § 326 StGB i.V.m. der Verordnung der Europäischen Gemeinschaft Nr. 1013-2006 aus.
Abfall in Anklage nicht hinreichend konkretisiert
Die Anklageschrift verzichtete unter Verstoß gegen § 200 StPO auf eine ausreichende Konkretisierung. So verschwieg sie im Anklagesatz, um was für "Abfall" es sich gehandelt haben sollte, mit dem das Unternehmen "unerlaubt umgegangen" sein soll. Das Wesentliche Ermittlungsergebnis konkretisierte zwar den Abfall dahingehend, dass es sich um 14 defekte Fernsehempfänger gehandelt habe, die von Europa nach Namibia über den Seehafen Hamburg verachtet werden sollten. Die Anklage bezeichnete aber die Geräte nicht unverwechselbar unter Benennung der Seriennummern. Es blieb somit offen, worüber das Gericht urteilen und wogegen sich mein Mandant verteidigen sollte.
Antrag der Verteidigung auf Nichtzulassung der Anklageverlesung
Der Mangel der Anklage führte nach Beginn der Hauptverhandlung zu dem Antrag, die Verlesung der Anklage nicht zuzulassen und das Verfahren mit Prozessurteil gem. § 260 Abs.3 StPO auf Kosten der Justizkasse einzustellen. Der Antrag hatte keinen Erfolg. Der Richter war vielleicht fachlich überfordert, denn er hielt den Antrag für nicht justitiabel: "das geht nicht" merkte er an. Das das doch geht zeigt die dazu entsprechende Rechtsprechung bis zum BGH. In anderen Fällen war ich mit solchen Anträgen, wie hier dokumentiert, erfolgreich. Ich konfrontierte den Vorsitzenden mit der Rechtsprechung. Das tat er mit dem Hinweis ab, dass er anderer Meinung sei. Ich kündigte ihm an, meine Meinung im Falle einer Verurteilung mit der Sprungrevision am Kammergericht Berlin durchzusetzen.
Freispruch statt Schuldspruch
Es kam zum Freispruch. Das Gericht war plötzlich der Auffassung, dass 14 Fernsehempfänger nicht das Tatbestandsmerkmal der "nicht unerheblichen Menge" des unerlaubten Umgangs mit Abfall erfülle. Komisch nur, dass diese Erkenntnis nicht bereits bei der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens die Entscheidungsfindung beeinflusste. Vermutlich hatte den Richter dann doch die "Drohung" mit der Revision zum Nachdenken veranlasst.