„Verfahrensverschleppung“ im Strafrecht
Die „Verfahrensverschleppung“ kann durchaus ein Mittel des Rechtsanwalts im Strafprozess sein, um Gerichte und Staatsanwaltschaften im Interesse seiner Mandanten, etwa der Geschäftsführer eines Unternehmens, zu einer Verfahrensabsprache im Sinne des § 257 c StPO (Deal) zu bewegen.
Der Deal im Wirtschaftsstrafrecht während des Gerichtsverfahrens
Der Deal ist auch nach Beendigung eines Ermittlungsverfahrens möglich, also wenn die Staatsanwaltschaft bereits Anklage erhoben hat. Dann kann unter Einbeziehung des Gerichts unter Absprache mit den Strafverteidigern und dem Vertreter der Staatsanwaltschaft ebenfalls noch eine Verfahrenseinstellung erreicht werden. Oder es erfolgt alternativ eine Verfahrensabsprache auf ein bestimmtes Strafmaß, das das Gericht mit seinem Urteil nicht überschreitet. Das kann die Höhe der Geldstrafe, die Höhe der Freiheitsstrafe oder auch die Zusicherung betreffen, das die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird.
Bereitschaft der Gerichte und Staatsanwaltschaften zur Verfahrensabsprache „erzwingen“
Es bedarf viel Verhandlungsgeschick der Rechtsanwälte, die Bereitschaft der Staatsanwaltschaft um das Gericht zu einer Verfahrensabsprache zu bewegen. Nicht immer gelingt das auf Anhieb oder wird sogar mehrfach abgelehnt.
„Verfahrensverschleppung“ als Mittel zum Zweck – Rüge der Zuständigkeit eines Gerichts
In solchen Fällen kann es durchaus hilfreich sein, die prozessualen Möglichkeiten auszuschöpfen und eine „Verfahrensverschleppung“ herbeizuführen. Es handelt sich dabei aber nicht um eine wirkliche Verfahrensverschleppung, unter der typischerweise Anträge eines Angeklagten und seines Strafverteidigers verstanden werden, die nur in´s Blaue hinein gestellt werden und an sich keinen wirklichen Verteidigungsnutzen – außer den Zeitpunkt der Urteilsfindung zu verzögern – haben. Die Rüge der Zuständigkeit des Amtsgerichts für eine Wirtschaftsstrafsache kann dazu führen, dass sich das entsprechende Amtsgericht auf Antrag der Rechtsanwälte für unzuständig erklärt.
„Verfahrensverschleppung“ zur Wirtschaftsstrafkammer eines Landgerichts
Die Folge der Unzuständigkeit eines Amtsgerichts in einer Wirtschaftsstrafsache ist, dass es auf Antrag der Rechtsanwälte die Strafsache an die zuständige Wirtschaftsstrafkammer eines Landgerichts verweist.
Diesen Weg haben wir als Rechtsanwälte für unsere Mandanten in einem Wirtschaftsstrafverfahren gewählt, in dem die Mandanten wegen angeblichen Subventionsbetrug im besonders schweren Fall, Insolvenzverschleppung und Bankrott angeklagt wurden. Die Straftaten sollen sich im Jahre 2008 ereignet haben. Eine Verfahrensabsprache zur Einstellung des Ermittlungsverfahrens scheiterte. Erst Jahre später (2011) wurden sie angeklagt. Noch ein Jahr später (2012) kam es am Amtsgericht Uelzen zum 1. Hauptverhandlungstag. Auch hier scheiterte eine Verahrensabsprache, weil die Staatsanwaltschaft keinen Deal mit einer bewährungsfähigen Freiheitsstrafe im Falle eines Geständnisses mittragen wollte. Eine Erklärung der Strafverteidigung sorgte aber dafür, dass das Gericht umfangreiche Nachermittlungen durch die Staatsanwaltschaft anordnete. Das Verfahren wurde für über ein Jahr ausgesetzt. Zehn neue Hauptverhandlungstermine wurden ab 08.01.2014 am Amtsgericht Uelzen anberaumt.
„Verfahrensverschleppung“ durch Verweisungsantrag an das Landgericht Stade
Am 1. Hauptverhandlungstag rügten wir Strafverteidiger die Zuständigkeit des Amtsgerichts Uelzen und stellten Verweisungsantrag an die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Stade. Das Schöffengericht hielt den Antrag gem. § 270 StPO für begründet. Wegen des besonderen Umfangs gem. § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG (Gerichtsverfassungsgesetz) wurde die Strafsache an die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Stade verwiesen. Der Beschluss ist hier nachzulesen. Auch „az-online“ berichtete unter der Überschrift „129.000 € abgezockt?“ über den Fall.
Im Vorfeld eine solchen Verweisungsantrags müssen die Nachteile und Vorteile, die eine (unterlassene) „Verfahrensverschleppung“ mit sich bringen, gegeneinander abgewogen werden.
Keine „Verfahrensverschleppung“ – Verhandlung der Wirtschaftsstrafsache am Amtsgericht
Denn beginnt das Verfahren in I. Instanz vor dem Amtsgericht, besteht später die Möglichkeit der Berufung und der Revision .
„Verfahrensverschleppung“ – Verhandlung der Wirtschaftsstrafsache am Landgericht
Beginnt aber das Strafverfahren in der I. Instanz vor einer Wirtschaftsstrafkammer eines Landgerichts, steht gegen das Urteil nur das Rechtsmittel der Revision, nicht aber der Berufung zur Verfügung.
Empfehlung Ihrer Rechtsanwälte für Strafrecht
Es kommt also immer auf die verfolgten Ziele an, ob sich der Mandant zu einer „Verfahrensverschleppung“ entscheidet oder nicht. Sie kann zur Erhöhung des Drucks auf die Staatsanwaltschaft nützlich sein und dazu dienen, sie doch noch zu einer Verfahrensabsprache im Interesse der Mandanten zu bewegen. Denn bekanntlich sinkt das Strafmaß um so mehr Zeit zwischen vermeintlicher Straftat und Urteil vergangen ist. Hier kann also die „Verfahrensverschleppung“ hilfreich sein. Aber wir empfehlen Ihnen dennoch, das für und wider mit uns sehr präzise zu beraten. Nicht immer ist der Weg der „Verfahrensverschleppung“ der richtige Weg optimaler Strafverteidigung. Sprechen Sie uns an. Gerne verteidigen wir Sie und erarbeiten die passgenaue Verteidigungsstrategie.
Weitere Informationen
Einen einführenden Artikel wie man eine Hauptverhandlung vor Gericht verhindern kann, finden Sie hier. Weitere Informationen zum Ziel des Strafverteidigers im Ermittlungsverfahren, der zwei Arten der Einstellung, wg. geringer Schuld oder wegen mangelnden Tatverdachts und zum Deal finden Sie auf den folgenden Unterseiten.