Die Beweisgrundsätze sind der Ermittlungsgrundsatz, die Unmittelbarkeit, die freie Beweiswürdigung und der Grundsatz in dubio pro reo. Beweiserhebung, Strafverfahren, Strafrecht, Wirtschaftsstrafrecht, Rechtsanwälte, Berlin, Beweisanträge, Amtsgericht, Landgericht, Rechte des Angeklagten, Haftbefehl, Untersuchungshaft
Rechtsanwalt Oliver Marson

Beweiserhebung in der Hauptverhandlung und ihre Grundsätze

Der Ablauf der Hauptverhandlung vor Gericht und die Grundsätze der Beweiserhebung sind in der Strafprozessordnung geregelt. Die Beweisgrundsätze sind der Ermittlungsgrundsatz, die Unmittelbarkeit, die freie Beweiswürdigung und der Grundsatz in dubio pro reo.

Ermittlungsgrundsatz und Beweiserhebung in der Hauptverhandlung

Der Ablauf der Hauptverhandlung im Strafprozess wird wesentlich durch den Ermittlungsgrundsatz mitbestimmt. Danach muss das Strafgericht den Sachverhalt selbst ermitteln. Es ist dabei nicht an Anträge und Erklärungen der Prozessbeteiligten (Staatsanwaltschaft, Strafverteidiger und Nebenkläger) gebunden. Die Strafgerichte sind also zu einer selbstständigen Tätigkeit verpflichtet (§ 155 Abs. 2 StPO). Das bedeutet konkret, das ein Gericht dem Geständnis eines Angeklagten keinen Glauben schenken muss, einer Zeugenaussage nicht folgen muss, das Ergebnis eines Sachverständigen nicht übernehmen muss.

Auch ist das Strafgericht nicht an die Beweisanträge der Prozessbeteiligten gebunden. Es muss von sich aus (von Amts wegen) weitere Beweismittel in den Strafprozess einbringen und zu diesem Zweck beiziehen (beschaffen), wenn das zur Sachaufklärung und Entscheidungsfindung erforderlich ist.

Beweiserhebung und der Grundsatz der Unmittelbarkeit

Der Unmittelbarkeitsgrundsatz verlangt von den Richtern, dass sie sich in der Hauptverhandlung von den Angeklagten, Zeugen, Sachverständigen, von Gutachten, Lichtbildern vom Tatort, Urkunden und allen anderen Beweismitteln einen persönlichen Eindruck verschaffen und auf dieser Grundlage zu einem Urteil kommen (§ 261 StPO). Auch die Verlesung protokollierter Zeugenvernehmungen kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Zunächst gilt es, den Zeugen zu laden und in der Hauptverhandlung zu vernehmen.

Beweiserhebung und der Grundsatz der freien Beweiswürdigung

Im Ergebnis der Erhebung aller Beweise hat das Gericht diese in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Dabei entscheiden die Richter aus ihrer freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung (§ 261 StPO). Der Richter muss mit Hilfe der Beweismittel zu dem Ergebnis kommen, dass sich ein bestimmtes Ereignis so und nicht anders zugetragen hat. Der Sachverhalt muss für ihn also aufgeklärt sein. Diese Gewissheit ist die notwendige Voraussetzung, um zu einem Urteil zu kommen.

Beweiserhebung  und Einschränkungen bei der freien Beweiswürdigung

Die freie Beweiswürdigung gilt nur in dem Rahmen, wie es die Strafprozessordnung zulässt. Ansonsten gibt es Einschränkungen, etwa durch bestimmte naturwissenschaftliche Erkenntnisse oder betriebswirtschaftliche und ökonomische, objektiv wirkende Gesetzmäßigkeiten. Die weiteren Einschränkungen sollen hier nicht weiter behandelt werden. Aber klar ist, dass der Richter eben nicht gegen naturwissenschaftliche Erkenntnisse und ökonomische Gesetzmäßigkeiten, gegen die denkgesetzliche Logik oder gegen Erfahrungssätze verstoßen darf.

Beweiserhebung und der Grundsatz in dubio pro reo

Weil das Gericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung davon überzeugt sein muss, das sich ein Angeklagter einer Straftat schuldig gemacht hat, muss der Zweifel an der Überzeugung von der Schuld folgerichtig zum Freispruch oder zumindest zur Verhinderung des Schuldspruchs führen. Bis zum gesetzlichen Schuldspruch, bis zum tatsächlichen Nachweis von Schuld wird vermutet, dass der Angeklagte unschuldig ist (Unschuldsvermutung). Das schließt den Grundsatz in dubio pro reo ein.

Das bedeutet auch, das nicht der Angeklagte seine Unschuld zu beweisen hat. Diese Aufgabe fällt der Staatsanwaltschaft und zuletzt natürlich dem Gericht zu. Folglich muss ein Angeklagter auch nicht den Nachweis der Richtigkeit eines Alibis erbringen, vielmehr muss das Alibi durch Beweismittel vom Gericht widerlegt werden.

Beweiserhebung und Ablauf des Gerichtsverfahrens

Auch wenn die Gerichte bei der Beweiserhebung nicht an Beweisanträge der Angeklagten und ihrer Strafverteidiger gebunden sind, so bedeutet das aber gerade nicht, dass entsprechende Anträge nicht zu beachten wären oder nicht gestellt werden dürften. Im Gegenteil: die aktive Strafverteidigung lebt von entsprechenden Beweisanträgen der Rechtsanwälte und dient dem jeweils angestrebten Ziel des Mandanten.

Bedeutung der Strafverteidiger bei der Beweiserhebung

Der Ablauf der Hauptverhandlung und die dort stattfindende Beweiserhebung im Strafprozess bestimmt sich also nach festen Regeln, die für den juristischen Laien kaum überschaubar sind. Deshalb auch hier unser Rat: beauftragen Sie Rechtsanwälte mit Ihrer Strafverteidigung. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Einhaltung der Regeln überwacht und bei Regelverletzungen sofort eingegriffen werden kann. Nur so ist eine aktive Strafverteidigung über inhaltlich und formal korrekt gestellte Beweisanträge möglich. Denn das Beweisantragsrecht ist schon für sich allein genommen eine Wissenschaft für sich allein. Der Ablauf der Hauptverhandlung im Strafprozess wird in Ihrem Interesse und im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten von uns als Ihren Strafverteidigern ganz wesentlich mitbestimmt.

Weitere Informationen

Einen einführenden Artikel zu den Rechten der Angeklagten im Gerichtsverfahren finden Sie hier. Weitere Informationen zur Teilnahme am Gerichtsprozess und zum Ausbleiben von der Gerichtsverhandlung, den Beweismitteln und dem Fragerecht, zur Fragestellung Aussage-gegen-Aussage, zum Verbot der Beweiserhebungen, dem Verwertungswiderspruch und der richterlichen Befangenheit finden Sie auf den folgenden Unterseiten.