Wer braucht Cyber-Strafverteidiger?

Betroffene von Cyber-Ermittlungen und Potenzielle Tätergruppen, nach denen im digitalen Raum polizeilich gesucht wird und die sich gegen auf digitale Spuren gestützte Vorwürfe zur Wehr setzen müssen, sind nur mit Hilfe erfahrener Cyber-Strafverteidiger in der Lage, die digitale Ermittlungsarbeit der Polizei im Detail zu überprüfen und mögliche Schwachstellen und Fehler aufzudecken.

Analyst, Rechtsanwalt, Wirtschaftsstrafrecht, computergestützte Datenanalyse, Big Data, NUIX, Betroffene von Cyber-Ermittlungen
RA und Analyst Dr. Uwe Ewald

Betroffen können Verdächtige sein, die digitale Spuren hinterlassen haben – also im Grunde jede und jeder, die oder der unter Verdacht gerät!

Ob mit dem Smartphone, durch soziale Netzwerke oder dem digital vernetzten Auto – die digitalen Spuren bilden in Echtzeit unsere Bewegungen und Handlungen sowie einen Großteil der von uns geführten Kommunikation ab und bieten damit eine relativ verlässliche Quelle für die Ermittlungstätigkeit.

Betroffene von Cyber-Ermittlungen

Interessant sind z.B. die Einschätzungen einer KPMG-Studie „e-Crime“ zu den „Potenziell gefährlichen Personengruppen“ im Bereich der Wirtschaft (KPMG-Studie, S. 16).

Danach werden für 2019 von 79% der Befragten die Organisierte Kriminalität, von 50% Geheimdienste, von 48% aktuelle Mitarbeiter, von 44% Wettbewerber, von 39% ehemalige Mitarbeiter, von 37% Geschäftspartner mit Zugang zu Systemen oder Daten des Unternehmens, von 33 Leih- oder Teilzeitarbeitskräfte, von 17% Kunden und von 12% Geschäftspartner ohne direkten Zugriff auf Daten oder Systeme als wahrscheinliche Täter im Bereich von Cyber-Kriminalität in der Wirtschaft angegeben. (Bei diesen Angaben handelt es sich offenbar um Schätzungen der Befragten.)

Eingedenk der Feststellung, dass der Nachweis und die eindeutige Zuordnung digitaler Spuren zu ganz konkreten Personen durchaus schwierig und unsicher sein kann, bedeutet diese Schätzung von potenziell „gefährlichen Personengruppen“ auch, dass eine Vielzahl Verdächtiger in das Fadenkreuz der Cyber-Polizei geraten kann und selbst objektiv Unschuldige wegen der aus technischen Gründen zunächst naheliegenden Wahrscheinlichkeit einer Beteiligung verfolgt und angeklagt werden, die sich entsprechend gegen die Vorwürfe verteidigen müssen.

Häufig werden von den Cyber-Cobs nach bestimmten Merkmalsmustern (Wer hatte technisch Zugang zum System? Wer war zu einem bestimmten Zeitraum anwesend?…) Stufen des Tatverdachts für Betroffene von Cyber-Ermittlungen und Potenzielle Tätergruppen begründet, die bei – aus Anklagesicht – entsprechender Plausibilität zur Begründung eines hinreichenden Tatverdachts als ausreichend erscheinen, der dann entsprechend „begründet“ wird. Eine solche für sich durchaus überzeugend wirkende Konstruktion eines Cyber-Tatgeschehens anhand von digitalen Spuren kann nur durch eine methoden-kritische Analyse überprüft und gegebenenfalls widerlegt werden.

Die digital-forensische Untersuchung kann sich dabei sehr komplex gestalten. Sie bezieht sich einerseits auf die detaillierte Untersuchung der ITK-Systeme und deren Sicherheits- und Datenschutzstrukturen (welche IT-Expertise erfordert), um die möglichen Verursacher digitaler Spuren der angenommenen Cyberkriminalität zu bestimmen und zuzuordnen; zum anderen ist regelmäßig auch eine komplexe inhaltliche Auswertung interner Kommunikation (z.B. von E-Mails und Chats etc.) erforderlich, um mögliche Hintergrundstrukturen und Netzwerke aufzudecken.

Diese Analyse digitaler Inhaltsdaten kann mit dem heutigen Stand der Auswertungssoftwares durch die geschulte Strafverteidiger selbst und unter einer Gesamtbetrachtung der in die Ermittlungen einbezogenen Inhaltsdaten erfolgen. Damit steht der Cyber-Strafverteidigung eine unabhängige Methode zur Verfügung, die vorgebrachten digitalen Beweise der polizeilichen Ermittler und Staatsanwaltschaft eigenständig zu überprüfen. Darüber hinaus können eigene, weitergehende Auswertungen angestellt werden, die häufig die polizeilichen Ermittlungsergebnisse kontrastieren und kritisch in Frage stellen.