Fachanwalt für Strafrecht
Rechtsanwalt Oliver Marson

Totschlag durch Unterlassen

Totschlag lautet der Vorwurf, der nun im Jahre 2016 gegen mehrere Ärzte und Mitarbeiter im Klinikum Delmenhorst erhoben worden sein soll. Dazu gibt es eine Vorgeschichte.

Mord im Krankenhaus

Zunächst hatte ein Pfleger bereits im Jahre 2005 einen Patienten getötet. Dabei wurde er auf frischer Tat von einer Krankenschwester überrascht. Das aber soll nach der Staatsanwaltschaft nicht dazu geführt haben, den Pfleger der Polizei zu überstellen. Er arbeitete zunächst weiter. Nur zwei Tage später habe er dann eine Rentnerin durch Verabreichung vom Betablocker Sotalex getötet.

Anklage wegen Totschlag gegen Ärzte und Klinikpersonal

Die beiden damaligen Oberärzte sowie der Stationsleiter sollen sich am 23. Juni 2005 darauf verständigt haben, zunächst nicht die Polizei einzuschalten. Der Krankenpfleger sollte angeblich zunächst nicht mit den Anschuldigungen konfrontiert werden. Anschließend soll er die zweite Tötungshandlung ausgeführt haben.

Die Informationen in den Medien sind zu spärlich, um eine juristisch fundierte Bewertung vornehmen zu können. Theoretisch aber ist es möglich, dass sich ein Arzt des Totschlags durch Unterlassen schuldig macht. Jedoch kann ein gut vorbereiteter Strafverteidiger genug rechtliche Argumente finden, dann kann er eine Verurteilung schwer oder unmöglich machen.

Hier stehen eine Vielzahl rechtlicher Fragen, die zu stellen sind.

Prüfung der Kausalität

So muss u.a. geprüft werden, ob die Unterlassungshandlung überhaupt ursächlich dafür ist, dass die Tötung stattgefunden hat. So ist ein Unterlassen für einen Erfolg ursächlich, wenn die objektiv gebotene Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der konkret eingetretene Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele. D.h. es wird im Gedankenexperiment überlegt, ob derjenige, der ein Einschreiten unterlassen hat, durch eben dieses die Tat hätte verhindern können. Wenn dies bejaht wird, dann liegt ein direkter Zusammenhang, also eine Kausalität vor.

Prüfung der Garantenstellung

Nach § 13 Abs. 1 StGB muss der Täter rechtlich dafür einzustehen haben, dass der Erfolg nicht eintritt. Dies ist der Fall, wenn der Täter eine sogenannte Garantenstellung zur Vermeidung des eingetretenen Erfolges innehat. Zu unterscheiden sind Garantenstellungen,
die daraus entstehen, dass eine Person verpflichtet ist, Gefahren von bestimmten Rechtsgütern abzuwehren (Beschützergarant) und Garantenstellungen, die daraus erwachsen, dass eine Person Gefahren, die von einer bestimmten Gefahrenquelle ausgehen, abschirmen soll
(Überwachergarant).

Prüfung der Motive

Zu prüfen ist natürlich auch, welche konkreten Informationen die Ärzte über den Täter hatten. Davon ist die Frage abhängig, ob sie damit rechnen mussten, dass der Pfleger bei Fortsetzung seiner Arbeit (wieder) einen Menschen tötet. Nur so kann das Motiv geprüft werden, warum sie den Pfleger weiter arbeiten ließen.

Nähere Informationen über unsere praktische Verteidigertätigkeit bei Totschlag sind hier zu finden.

Weitere Informationen

Einen einführenden Artikel zum Thema des Medizin- und Arztstrafrechts finden Sie hier. Weiterführende Informationen zu den Anforderungen an die Strafverteidiger im Medizin- und Arztstrafrecht finden Sie auf den folgenden Seiten. Ärzte können sich durch vielseitige Taten strafbar machen. Die wichtigsten Tatbestände sind daher auf den folgenden Unterseiten näher erläutert. Artikel zur Strafbarkeit der Tötung auf Verlangen, der Anstiftung und Beihilfe zum Suizid und zum sog. „Ärztepfusch“ finden Sie auf den folgenden Unterseiten.

Auch Fälle von Sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses und auch die einvernehmlichen sexuellen Handlungen des Arztes im Behandlungsverhältnis sind im Medizinstrafrecht geregelt.

Als Sonderdelikte werden außerdem das Strafverfahren gegen Ärzte wegen Abrechnungsbetrug und die Fehlende Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht und die Offenbarung von Privatgeheimnissen besprochen.