Fachanwalt für Strafrecht
Rechtsanwalt Oliver Marson

Die strafrechtliche Haftung des Aufsichtsrats eines Unternehmens

Seit einigen Jahren gewinnt in der Praxis die strafrechtliche Haftung des Aufsichtsrats eines Unternehmens zunehmend an Bedeutung, auch wenn viele Detailfragen juristisch bisher unbeantwortet sind.

Die Mitglieder des Aufsichtsrats haben eine Schutzfunktion gegenüber dem Vermögen des Unternehmens wahrzunehmen. Aus der Erfüllung dieser Funktion ergeben sich unmittelbare strafrechtliche Risiken für die Aufsichtsratsmitglieder.

Untreue wegen mangelnder Kontrolle

So kann sich die strafrechtliche Haftung des Aufsichtsrats eines Unternehmens aus einer nicht oder nicht ausreichend wahrgenommenen Kontrolle der Geschäftsführung ergeben, so das von einer Vermögensbetreuungspflichtverletzung i. S. d. § 266 StGB ausgegangen werden könnte und Ermittlungsverfahren wegen Untreue eingeleitet würden.

Nach § 111 AktG ist es eine der Kernaufgaben des Aufsichtsrates, die Geschäftsführung zu überwachen. Das verlangt vom Aufsichtsrat eine Überprüfung der Geschäftsführung auf fehlerhaftes oder geschäftsschädigendes Verhalten.

Nun ist es aber nicht so, das der Vorstand einen eigenen Apparat einzusetzen hat, um den Vorstand zu kontrollieren oder selbst zu ermitteln. Grundsätzlich kann der Aufsichtsrat der Geschäftsleitung vertrauen. Das ändert sich aber dann, wenn der Aufsichtsrat von geschäftsschädigenden Verhaltensweisen der Geschäftsführung Kenntnis erlangt oder wenigstens ein Verdacht aufkommt. Handelt es sich dabei z. B. um vermeintliche Schmiergeldzahlungen, kann das auch zu strafrechtlichen Konsequenzen für Aufsichtsratsmitglieder führen.

Untreue wegen Vergütung des Vorstands

Der Aufsichtsrat legt die Vergütung für den Vorstand fest. Die Höhe der Vergütung muss der Lage des Unternehmens und der wahrgenommenen Arbeitsaufgaben in einem angemessen Verhältnis festgesetzt werden. Auch das berührt unmittelbar die Vermögensbetreuung i.S.d. § 266 StGB und kann strafrechtliche Konsequenzen haben.

Die Verteidigungsmöglichkeiten sind hier derzeit recht gut (Stand Juni 2013), denn es handelt sich bei der Festlegung der Vergütung um unternehmerische Entscheidungen, bei denen die Aufsichtsräte einen weiten Entscheidungs- und Ermessensspielraum haben. Ob das aber auf Dauer so bleibt ist abzuwarten.

Untreue durch Unterlassen

Der Aufsichtsrat vertritt das Unternehmen gegenüber dem Vorstand gerichtlich und außergerichtlich (§ 112 AktG).  Hat die Aktiengesellschaft Schadenersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder, muss sie der Aufsichtsrat auch durchsetzen. Unterlässt er das, kann das zu einer Veruntreuung von Vermögen des Unternehmens i. S. d. § 266 StGB führen.

Aber auch hier gibt es Verteidigungsmöglichkeiten gegen solche Straftatvorwürfe. Denn nicht geltend gemachte Ansprüche bestehen natürlich fort, so das ein Nachteil im Sinne des Untreuestraftatbestandes kaum anzunehmen ist. Heikel wird die Sache dann, wenn Verjährung eintritt oder durch Verzögerung der Geltendmachung die Beweislage eine Durchsetzbarkeit des Anspruchs verhindert.

Strafbarkeit bei unterlassener Überwachungspflicht

Die Frage der Strafbarkeit wegen unterlassener Überwachungspflicht wird diskutiert. Muss der Aufsichtsrat Straftaten der Vorstandsmitglieder unterbinden? Ist der Aufsichtsrat „Überwachungsgarant“? Teilweise wird diese Auffassung vertreten. Aber nach der hier vertretenen Rechtsauffassung gibt es nur dann Handlungsbedarf des Aufsichtsrats, wenn eine rechtliche Möglichkeit besteht, strafbare Erfolge zu verhindern. In der Praxis wird es selten vorkommen, das der Aufsichtsrat von Straftaten erfährt, die noch nicht erfolgt sind. Völlig ungeklärt ist die Frage, ob der Aufsichtsrat Strafanzeige erstatten muss, wenn er Kenntnis von Straftaten des Vorstands erlangt. Die Entwicklung der Rechtsprechung bleibt abzuwarten. Die Diskussion um die strafrechtliche Haftung des Aufsichtsrats eines Unternehmens ist lange nicht abgeschlossen.

Weitere Informationen

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