Die Strafbarkeit der Tötung auf Verlangen durch den Arzt
Anders als beim Suizid ist die Tötung auf Verlangen durch den Arzt oder jede andere Person strafbar. Der Sinn der unterschiedlichen Behandlung von Straflosigkeit bei Beihilfe und Anstiftung zum Suizid und Strafbarkeit der Tötung auf Verlangen ist leicht erklärt. Die Rechtsordnung will so sicherstellen, dass der Suizident wirklich ohne jede Beeinflussung durch Dritte Hand an sich legt. Das muss beweisbar sein. Führt aber ein Arzt oder eine andere Person die Handlungen an dem anderen Menschen aus, die dann zum Tode führt, ist nicht ohne weiteres beweisbar, ob der „Sterbewillige“ in seiner Entscheidung schon so weit war, in den Tod gehen zu wollen. Auch ist nach dem Tod nicht mehr beweisbar, ob ein Sterbeverlangen vom Täter eventuell nur vorgetäuscht wurde.
Deshalb droht § 216 StGB bei Tötung auf Verlangen eine Freiheitsstrafe zwischen 6 Monaten und 5 Jahren an.
Voraussetzungen der Tötung auf Verlangen
Eine Tötung auf Verlangen i.S.d. § 216 StGB setzt voraus, dass der Täter „durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden“ ist. Fehlt es daran, so liegt ein Mord oder Totschlag vor, die beide mit weit härterer Strafe bedroht werden. Wann aber ist ein ausdrückliches Verlangen „ernstlich“? Es muss auf der fehlerfreien Willensbildung eines verantwortlich handelnden Menschen beruhen. Kinder oder Personen, die in Verwirrung, in Panik, in Trunkenheit oder unter dem Einfluss von Irrtümern oder Drohungen ihren Tod verlangen, können dem Täter also auch durch eine Aufforderung zur Tötung nicht das Privileg einer milderen Bestrafung verschaffen.
Die indirekte Sterbehilfe
Von indirekter Sterbehilfe spricht man, wenn bei einem todkranken Menschen schmerzlindernde Maßnahmen vorgenommen werden, obwohl sie den Eintritt des Todes beschleunigen können. Die Bewirkung eines vorzeitigen Todeseintritts ist an sich ein Tötungsdelikt und, wenn sie der Patient erbeten hat, immer noch eine Tötung auf Verlangen. Wenn dies im Rahmen einer Schmerztherapie geschieht, ist eine solche Todesverursachung aber zulässig, wie im Jahre 1996 auch der Bundesgerichtshof anerkannt hat. Ich zitiere den Leitsatz seines Urteils: „Eine ärztlich gebotene schmerzlindernde Medikation entsprechend dem erklärten oder mutmaßlichen Patientenwillen wird bei einem Sterbenden nicht dadurch unzulässig, dass sie als unbeabsichtigte, aber in Kauf genommene Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigen kann.“
Wie das zu begründen ist, hat der BGH offengelassen. Richtigerweise wird man einen rechtfertigenden Notstand annehmen müssen. Die Pflicht zur längstmöglichen Lebenserhaltung tritt dann hinter der Pflicht zur Leidensminderung zurück. Man wird dies, obwohl die BGH-Entscheidung in diesem Punkt unklar ist, auch dann annehmen müssen, wenn eine Todesbeschleunigung nicht nur möglicherweise, sondern mit Sicherheit zu erwarten ist. Die Grenze zur strafbaren Tötung ist erst dort überschritten, wo der Tod nicht im Verlauf einer Schmerztherapie eintritt, sondern absichtlich herbeigeführt wird, um das Leiden des Patienten durch den Tod zu beenden.
Strittig ist auch, ob man, wie der BGH sagt, die Zulässigkeit einer lebensverkürzenden Schmerztherapie auf „Sterbende“ beschränken sollte; auch die Bundesärztekammer will dies. Unerträgliche Schmerzen können aber – z.B. bei Krebserkrankungen – auch schon Wochen und Monate vor dem Tod auftreten, zu einer Zeit also, wo der Patient noch nicht als „Sterbender“ angesehen werden kann. Man sollte deshalb die Zulässigkeit der indirekten Sterbehilfe auf alle „tödlich Kranken“ erstrecken. Damit sind Krankheiten gemeint, in deren tödlichen Verlauf ärztliches Handeln nicht mehr entscheidend eingreifen kann. In diesem Sinne hat auch der Deutsche Juristentag 2006 votiert.
Die Zulässigkeit einer indirekten Sterbehilfe sollte zudem über die Behandlung von Schmerzen hinaus auch auf andere schwere Leidenszustände erstreckt werden, soweit diese nicht durch eine schonendere Therapie zu beseitigen sind. Ein solcher Leidenszustand ist z.B. eine Erstickungsängste auslösende Atemnot.
Weitere Informationen
Einen einführenden Artikel zum Thema des Medizin- und Arztstrafrechts finden Sie hier. Weiterführende Informationen zu den Anforderungen an die Strafverteidiger im Medizin- und Arztstrafrecht finden Sie auf den folgenden Seiten. Ärzte können sich durch vielseitige Taten strafbar machen. Die wichtigsten Tatbestände sind daher auf den folgenden Unterseiten näher erläutert. Artikel zur Anstiftung und Beihilfe zum Suizid, zum Totschlag, zum Totschlag durch Unterlassen und zum sog. „Ärztepfusch“ finden Sie auf den folgenden Unterseiten.
Auch Fälle von Sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses und auch die einvernehmlichen sexuellen Handlungen des Arztes im Behandlungsverhältnis sind im Medizinstrafrecht geregelt.
Als Sonderdelikte werden außerdem das Strafverfahren gegen Ärzte wegen Abrechnungsbetrug und die Fehlende Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht und die Offenbarung von Privatgeheimnissen besprochen.