Fachanwalt für Strafrecht
Rechtsanwalt Oliver Marson

Die Reform der Vermögensabschöpfung – Welchen Gebrauchswert hat sie?

Am 01.07.2017 ist das Gesetz zur Reform der Vermögensabschöpfung in Kraft getreten. Damit wird die EU-Richtlinie 2014/42/EU in das deutsche Recht umgesetzt. Der Umfang der Änderungen, die im materiellen Recht und auch in den Verfahrensvorschriften bzgl. der strafrechtlichen „Vermögensabschöpfung“ (= Einziehung) vorgesehen sind, sind erheblich. War das wirklich nötig?.

Die rückwirkende Anwandung der der neuen Regelungen zur Einziehung

Fakt ist dabei, dass diese Reform auch sofort umzusetzen ist. Da es sich nicht um eine Sanktion handelt, gilt auch das strenge Rückwirkungsgebot nicht. Folglich werden sie auch auf (vvermeintliche) Straftaten angewendet, die vor der Reform begangen worden sein sollen, aber erst danach Gegenstand von Ermittlungsverfahren sind.

Seit der Reform ist dieses Gesetz Gegenstand von erheblicher Kritik. Der deutsche Richterbund beklagt hauptsächlich den erheblichen Mehraufwand für die Strafverfolgungsbehörden. Die Bundesrechtsanwaltskammer prognostiziert eine mögliche Privilegierung des Staates als Einziehungsgläubiger.

Die Gesetzesbegründung wartet mit hauptsächlich zwei Argumenten auf. Es bestehe „europarechtlicher Handlungsbedarf“ und ein „Bedürfnis der Strafrechtspraxis“.

Die Argumente der Gesetzesbegründung für die Reform der Vermögensabschöpfung

In der Gesetzesbegründung wird auf die EU-Richtlinie vom 03.04.2014 verwiesen und behauptet, dass sich eine Reform der Vermögensabschöpfung aus dem europäischen Recht selbst ergeben würde. Das ist nicht überzeugend. Denn auch das frühere Recht war weitestgehend europarechtskonform ausgestaltet. Eine vollständige Umgestaltung ist nicht erkennbar.

Das Argument des praktischen Reformbedürfnisses wird auch dami untersetzt, in der Vergangenheit sei zu selten und zu wenig abgeschöpft worden sei. Das hätte vor allem an der Komplexität und Unübersichtlichkeit des alten Rechts. Nun gut. Aber die Reform hat dieses Dilemma nicht beseitigt.Der Aufwand für die Verfolgungsbehörden und Gerichte ist gestiegen, wie der Richterbund einschätzt.  Die Gründe, die die Gesetzesbegründung liefern soll, leiden sämtlichst Not.

Kritik an der inhaltlichen Ausgestaltung:

Das Bruttoprinzip bei der Reform der Vermögensabschöpfung

Wo früher die Härteklausel die Beschränkung nach oben hin vorgenommen hat, zeigt sich jetzt gähnende Leere. Das Bruttoprinzip verbleibt als Grundlage für die Einziehungsentscheidung ohne jedoch ein Korrektiv zum Schutze des Betroffenen vorweisen zu können. In der Begründung wird darauf verwiesen, dass die Konkretisierung des Brutto-Prinzips verhindern werde, dass sich die Einziehung zur Vermögensstrafe ausweitet. Faktisch ist jedoch genau das Gegenteil der Fall.

Die vorläufige Sicherstellung

Auch im Bereich der vorläufigen Sicherstellung sind die Regelungen weggefallen, die für eine Begrenzung sorgten. Die frühere Regelung des Sicherungsbedürfnisses in § 111d Abs.2 StPO a.F. ist weggefallen. Als Beschränkung dient nur noch der allgemeine verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Ohne Konkretisierung liegt die Rechtsanwendung und Interpretation vollständig in den Händen der Richter. Das Risiko der Schaffung vollendeter Tatsachen ist dadurch noch mehr gestiegen.

Je länger eine solche Maßnahme aufrecht erhalten wird, desto höhere Anforderungen werden an den Verdachtsgrad gestellt – das war zumindest bis vor Kurzem noch so. Auch diese Beschränkung wurde ersatzlos gestrichen. Auch hier soll der allgemeine Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausreichen um den Betroffenen Schutz zu bieten. Aber gerade bei solch einschneidenden Grundrechtsbeeinträchtigungen ist besonderer Schutz gefragt. Bei der Stufenregelung des § 111b III StPO a.F. lag das Begründungserfordernis bei der Justiz. Durch die Abschaffung wurde dies auf den Betroffenen abgewälzt.

Die nachträgliche selbstständige Vermögensabschöpfung

Nun ist eine selbstständige Einziehungsentscheidung unabhängig vom Verfahren der Hauptsache möglich. Sogar bei Strafklageverbrauch. Voraussetzung ist lediglich, dass das Gericht zur Einziehungsfrage keinerlei Entscheidung getroffen hat. Dadurch entsteht eine unbegrenzte Anwendbarkeit und faktisch eine Pflicht zur Aufarbeitung bereits abgeschlossener Fälle. Und wieder: Mehr Aufwand, statt Arbeitserleichterung!

Die verurteilungsunabhängige Einziehung

Die Anordnung der Einziehung kann nun losgelöst von der gerichtlichen Feststellung einer rechtswidrigen und schuldhaften Tat erfolgen. Damit muss das Strafgericht nu davon überzeugt sein, dass ein bestimmter Gegenstand eine deliktische Herkunft hat. Doch diese Neukonzeption verstößt gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 261 StPO und der Unschuldsvermutung nach Art.6 Abs. 2 EMRK. Auch das Bestimmtheitsgebot steht in Frage. Voraussetzung ist lediglich die illegale Quelle – Die Auslegung dieses Begriff liegt wieder in den allmächtigen Händen des Gerichts.

Gefährdung des Grundsatzes der Aussagefreiheit

Grundsätzlich hat jeder das Recht seine Aussage bei Polizei oder vor Gericht zu verweigern, wenn er sich damit selbst belasten müsste. Durch die Beweislastumkehr bzgl. der Frage der legalen oder illegalen Herkunft der fraglichen Gegenstände, ist jedoch genau dieses Recht gefährdet. Besonders wenn die Einziehung der Gegenstände dem Betroffenen wirtschaftlich nicht zuzumuten ist, besteht ein Aussagezwang. Denn nur durch eine Aussage kann er eventuell sein Hab und Gut retten.

Schlusswort zur Reform der Vermögensabschöpfung

Die Reform der Vermögensabschöpfung hat zu einem Wegfall zahlreicher Schutzvorrichtungen und Beschränkungen der staatlichen Gewalt geführt. Dadurch ist das Vermögensabschöpfungsrecht zu einer Falle für jeden geworden, der sich mit wirtschaftsstrafrechtlichen Vorwürfen konfrontiert sieht. Wir empfehlen einen kompetenten Anwalt für Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht aufzusuchen. Gerne stehen wir Ihnen zur Verfügung.