Verteidigungsstrategie im Lebenmittelstrafrecht
RA & Analyst Dr. Uwe Ewald

Verteidigung bei Verdacht von Straftaten im Zusammenhang mit Produktion von Lebensmitteln – ein Fall aus der Praxis

Verteidigungsstrategie im Lebensmittelstrafrecht: Hersteller und Verkäufer von Lebensmitteln oder auch von Nahrungsergänzungsmitteln, die unter die Regelungen des Lebens- und Futtermittelgesetzes fallen, sind verpflichtet, eine Vielzahl von Normen des nationalen wie auch des Unionsrechts im Rahmen des Risikomanagements zu beachten. Kritisch wird es insbesondere dann, wenn Standards (sog. ARfD – Akute Referenzdosis) eine Rolle spielen, bei deren Überschreitung selbst ohne jede schädliche Folge ein Lebens- oder Nahrungsergänzungsmittel als „gesundheitsschädlich“ und damit „nicht sicher“ eingestuft wird.

Lebensmittelkontrolle als vorgelagerte ‚Ermittlungsinstanz‘ im Lebensmittelstrafrecht

Den Produktverantwortlichen steht ein EU-weiter Apparat von Kontrolleuren gegenüber, der darauf achten soll, dass höchste Standards der Lebensmittelsicherheit eingehalten werden (siehe z.B. Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA, Bundesinstitut für Risikobewertung BfR).

Dabei ist allzu oft auch in der relevanten wissenschaftlichen Debatte umstritten, welche Werte und Standards nun gelten sollen, um die Schwelle zur „Gesundheitsschädlichkeit“ zu definieren. Als allbekanntes Beispiel kann hier auf die andauernde Auseinandersetzung um Glyphosat verwiesen werden. Diese Grenzwert-Debatte findet auch in anderen Bereichen statt, so bei der Beurteilung der Überschreitung der ARfD für Cyanid beispielsweise beim Verkauf von Aprikosenkernextrakten.

Beim Verdacht der Verletzung von Standards scheint bei den Kontrolleuren, die dann als Gutachter Stellungnahmen abgeben, welche eine Strafanzeige begründen sollen, selbst bei uneinheitlicher  Anwendung von Standards nicht so selten ein gewisser Verfolgungseifer zu beobachten zu sein, der dann in Berichten mit Fachtermini gespickt (und dadurch durch Nicht-Fachexperten schwer in Frage zu stellen) ‚begründet‘ wird.

Einfache Übernahme von Vorwürfen durch die Staatsanwaltschaft

Staatsanwaltschaften übernehmen häufig ohne weitere eigene Ermittlungstätigkeit die in den Berichten der Lebensmittelgutachter dargelegten Positionen.

Sosehr nachzuvollziehen ist, dass insbesondere nicht-spezialisierte Staatsanwaltschaften gerade dann, wenn Expertenwissen und Spezialnormen ins Spiel kommen zeitlich vor einer unlösbaren Aufgabe stehen, jeden so unmittelbar durch ein Lebensmittelgutachten geäußerten Tatverdacht eigenständig zu überprüfen, ist es andererseits fragwürdig, die gutachterlichen Positionen lediglich in die Sprache eines Ermittlungsverfahrens zu übersetzen, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten und die Beschuldigten zur Stellungnahme aufzufordern – selbst dann, wenn Schwächen der Gutachten bereits nach Aktenlage ersichtlich sind.

Besondere Herausforderungen für die Verteidigung im Vorverfahren

Die Beschuldigten finden sich dann in einer Lage wieder, eben diese juristische wie fachliche Prüfung der gutachtlichen Vorwürfe vornehmen zu müssen, wenn sie – soweit der Fall es hergibt – den Gang durch die Hauptverhandlung vermeiden wollen.

Die Verteidigung ist in dieser Phase des Vorverfahrens nun gehalten, mit dem Ziel der Einstellung der Ermittlungen einerseits fallbezogen die juristische Komplexität des Zusammenhangs von Standards, nationalem und Unionsrecht im Bereich der Lebensmittelsicherheit mit der fachlichen Kompetenz zur Beurteilung deren faktischer Verletzung und einer substanziellen Einschätzung von möglichen Mängeln in der Begutachtung als dem soweit Hauptbeweismittel andererseits zu verbinden.

Wir haben in vergleichbaren Fällen aus dem Bereich des  Lebensmittelstrafrechts erfolgreich verteidigen können, da neben der akribischen Aufarbeitung der normativen Komplexität (juristische Seite) auch die erforderliche Tiefe bei der Einarbeitung in die fachlichen Zusammenhänge der Lebensmittelsicherheit (Diskussion von Grenzwerten etc.) erreicht wurde, und wir darüber hinaus Erfahrungen bei der Beurteilung gutachterlicher Standards und deren Nichteinhaltung besitzen.