Medienberichterstattung über die Beschlagnahme von 77 Immobilien

Vermögensabschöpfung , Rechtsanwalt, Strafrecht, Wirtschaftsstrafrecht,
Rechtsanwalt Oliver Marson

Gegenwärtig wird reißerisch über die Beschlagnahme von 77 Immobilien durch die Berliner Staatsanwaltschaft berichtet (Vermögensabschöpfung). Danach soll angeblich ein arabischstämmiger Clan mit dem Geld aus einer Vielzahl von Straften den Ankauf von Immobilien bezahlt haben.

In diesem Zusammenhang wird auch darüber berichtet, dass es nunmehr Sache der Betroffenen sei nachzuweisen, dass diese Immobilien aus legal erwirtschafteten Einkommen stammen. Die Berliner Staatsanwaltschaft spricht nun von der Beweislastumkehr. Danach muss nicht die Justiz den Nachweis führen, dass das Vermögen aus einer Straftat stammt. Vielmehr soll der Täter belegen, dass er das Vermögen legal erworben bzw. aus legalen Einkommensquellen erlangt hat. Im vorliegenden Falle würde das darauf hinauslaufen, dass die Betroffenen den Nachweis des legalen Erwerbs der Immobilien ohne Einsatz von Einkommen aus Straftaten führen müssten.

Zu den Voraussetzungen nach dem neuen Recht der Vermögensabschöpfung

Mit dem Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.04.2017 sind die Regelungen der Einziehung von Vermögen neu gefasst worden. Näheres u.a. auch hier.

Die dauerhafte Einziehung der hier beschlagnahmten Immobilien ist an Voraussetzungen geknüpft.

Die verurteilungsunabhängige Einziehung von Vermögen unklarer Herkunft

Neu eingeführt in das StGB wurde u.a. die Vorschrift des § 76a Abs. 4 StGB, die folgenden  Wortlaut hat:

§ 76a StBG Selbständige Einziehung

„(1) – (3) …

(4) Ein aus einer rechtswidrigen Tat herrührender Gegenstand, der in einem Verfahren wegen des Verdachts einer in Satz 3 genannten Straftat sichergestellt worden ist, soll auch dann selbständig eingezogen werden, wenn der von der Sicherstellung Betroffene nicht wegen der Straftat verfolgt oder verurteilt werden kann. Wird die Einziehung eines Gegenstandes angeordnet, so geht das Eigentum an der Sache oder das Recht mit der Rechtskraft der Entscheidung auf den Staat über; § 75 Absatz 3 gilt entsprechend. Straftaten im Sinne des Satzes 1 sind […].“

Entsprechend der Zielrichtung der Regelung des § 76a Abs. 4 StGB enthält der Katalog ausgewählte Straftatbestände aus dem StGB, der Abgabenordnung, dem Asylgesetz, dem Aufenthaltsgesetz, dem Außenwirtschaftsgesetz, dem Betäubungsmittelgesetz, dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen und dem Waffengesetz, welche ausweislich der Gesetzesbegründung üblicherweise im Zusammenhang mit Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität  stehen.

Damit können Vermögensgegenstände, wie z.B. Immobilien auch dann eingezogen werden, wenn dem Betroffenen, bei dem diese sichergestellt wurden, eine rechtswidrige Tat gerade nicht nachgewiesen werden konnte oder das Verfahren eingestellt wurde.

Voraussetzung ist der Anfangsverdacht einer der in § 76a Abs. 4 S. 3 StGB gennannten Straftaten und die betreffende Tat nicht länger als 30 Jahre zurückliegt. Laut vorliegenden Presseberichten soll den Betroffenen der Vorwurf der Geldwäsche gem. § 261 StGB gemacht worden sein. Dieser Straftatbestand gehört zu den in § 76a Abs. 4 genannten Straftaten.

Eine weitere gesetzliche Voraussetzung ist die richterliche Überzeugung, dass der einzuziehende Vermögenswert von illegaler Herkunft ist.

Es gilt die freie richterliche Beweiswürdigung nach § 261 StPO, wobei der Gesetzgeber im Rahmen der Verfahrensvorschriften für das selbständige Einziehungsverfahren dem Richter bei der Gewinnung seiner Überzeugung eine Hilfestellung gibt (§§ 435 ff. StPO).

Die entscheidende Regelung aus der die sog. Beweislastumkehr abgeleitet wird ist der § 437 StPO, wonach das Gericht seine Überzeugung davon, dass der Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, insbesondere auf ein grobes Missverhältnis zwischen dem Wert des Gegenstandes und den rechtmäßigen Einkünften des Betroffenen ableitet. Bei seiner Entscheidung kann es insbesondere auch berücksichtigen,

  1. das Ergebnis der Ermittlungen zu der Tat, die Anlass für das Verfahren war;
  2. die Umstände, unter denen der Gegenstand aufgefunden und sichergestellt worden ist;
  3. sowie die sonstigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen.

Besitzt also ein Betroffener eine Immobilie von hohem Wert, obwohl er und seine Familie seit Jahren Beihilfen zum Lebensunterhalt vom Jobcenter beziehen, kann das Gericht hieraus von einem groben Missverhältnis zwischen der Höhe legaler Einkünfte und dem Wert des Vermögens ausgehen. Es wäre dann Sache des Betroffenen nachzuweisen, dass beispielsweise diese Immobilien legal z.B. durch Erbschaft oder Schenkung erworben wurde.

Daher sprechen Juristen in diesem Fall von einer faktischen Beweislastumkehr, weil das Gericht auf Grund bestimmter Umstände zu der Überzeugung gelangen kann, dass die Immobilie aus einer rechtswidrigen Tat stammt. Denn es wird davon ausgegangen, dass der Wert der Immobilie in einem groben Missverhältnis zu den rechtmäßigen Einkünften des Betroffenen steht. Damit wird dem Betroffenen auferlegt, den legalen Erwerb der Immobilie nachzuweisen, will er dem Anschein der illegalen Herkunft mit Erfolg entgegentreten und die Vermögensabschöpfung abwenden.

Dabei darf nicht unterschätzt werden, dass es erst einmal Sache der Staatsanwaltschaft ist, dem Gericht die entsprechenden Umstände, aus denen sich die Voraussetzungen für eine entsprechende Überzeugungsbildung ergeben sollen, vorzulegen. Die Stichhaltigkeit dieser Fakten zu überprüfen wird Sache der Verteidigung sein.

In der Literatur werden auch Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der neuen Regelungen laut.

Eine gefestigte Rechtsprechung gibt es ebenfalls noch nicht. Die Bundesrechtsanwaltskammer und die Vereinigungen der Strafverteidiger wiesen in ihren Stellungnahmen im Gesetzgebungsverfahren bereits auf eine mögliche Verfassungswidrigkeit des neuen § 437 StPO hin. Also kein Grund seitens der Staatsanwaltschaft euphorisch zu sein. Es gibt durchaus Chancen der Verteidigung gegen die Ansichten der Staatsanwaltschaft.

 

Weitere Informationen zur Vermögensabschöpfung

Näheres zu dieser Thematik finden Sie hier und auch hier. Zu den Besonderheiten im Steuerstrafrecht bei Steuerhinterziehung finden Sie auf dieser Seite nähere Informationen. Das kann Firmen schnell in die Insolvenz treiben.