Computergestützte Analyse der Beweismittel in Strafverfahren Fachanwalt für Strafrecht, Computergestützte Analyse der Beweismittel in Strafverfahren
Rechtsanwalt Oliver Marson

Computergestützte Analyse der Ermittlungsakten

Traditionelle Analyse beim Aktenstudium

Die Computergestützte Analyse der Beweismittel im Strafverfahren.

Wie bereits an anderer Stelle beschrieben, kommt kein Strafverteidiger an der akribischen Aufarbeitung und Analyse der staatsanwaltlichen oder gerichtlichen Ermittlungsakten vorbei. Denn darin  finden sich die für einen Fall relevanten Beweismittel. Das sind die Zeugenvernehmungen, Urkunden, Schriftstücke und andere Beweismittel. Wir Strafverteidiger lesen diese Beweismittelordner, ordnen Fakten, prüfen den Beweiswert, wir suchen kritisch nach Widersprüchen und Lücken der staatsanwaltlichen Beweisführung.  Unser Ansatz ist die „Nullhypothese„. Das heißt, wir schenken den unsere Mandanten belastenden Beweismitteln keinen Glauben. Dazu wird der Gegenbeweis gesucht und Widersprüche sowie Lücken der staatsanwaltlichen Ermittlungen aufgedeckt. Diese Analyse mündet letztlich in die Verteidigungsstrategie für unsere Mandanten. In den meisten Fällen reicht diese althergebrachte und insoweit bewährte Methode zur Analyse über das „bloße Lesen der Akten“ völlig aus, um die Sach-, Rechts- und Beweislage zu den strafrechtlich relevanten Straftatvorwürfen der Ermittlungsbehörden zu erfassen.

Informationsflut als Herausforderung bei der Analyse

Nicht so, wenn die Komplexität des Geschehens und die Menge der in den Ermittlungsakten enthaltenen Informationen die Grenze strukturierter manueller Auswertung des Aktenmaterials überschreitet. Auch bei weniger umfangreichen Akten, die sich statt dessen durch eine fast unüberschaubare Vielzahl von Detailinformationen auszeichnen, noch dazu in sich widersprüchlich sind, fordert mehr als die herkömmliche Methode zur Analyse.

Computergestützte Analyse erhöht die Qualität anwaltlicher Arbeit

Die professionelle Kriminalitätsanalyse arbeitet deshalb seit langem bei komplizierten und/oder umfangreichen Ermittlungen mit computergestützten Analyseverfahren, die es erlauben, die relevanten Daten zu Akteuren (Netzwerkanalyse) in ihrer zeitlichen und räumlichen/geographischen Verteilung zu erfassen und auch dann noch unter Kontrolle zu halten, wenn widersprüchliche Informationen zum Beispiel durch sich widersprechende Zeugenaussagen oder lückenhafte und einseitige Ermittlungsergebnisse vorliegen.

Strafverteidiger erstellen Analysen unter Einbindung von Analysten

Deshalb arbeiten wir in entsprechenden Fällen mit dem ausgewiesenen Kriminalitätsanalysten, Rechtsanwalt und Kriminologen Dr. Uwe Ewald des International Justice Analysis Forum (IJAF) zusammen. Er und sein Team sind als Experten von IJAF auf die computergestützte Inhaltsanalyse im Rahmen von Ermittlungsverfahren bis zu einer Größenordnung, wie sie etwa bei Kriegsverbrechen zum Beispiel an Internationalen Strafgerichtshöfen oder grenzüberschreitenden Netzwerken organisierter Kriminalität auftreten, spezialisiert. Im Ergebnis dieser systematischen Analyseverfahren werden häufig Lücken und Widersprüche in der Konstruktion von Anklageschriften aufgedeckt und anhand der – nicht selten mittels über das gesamte Aktenmaterial verstreuten Informationen – Gesamtdatenlage in den Prozess eingeführt. Damit stellt die Strafverteidigung nicht nur Waffengleichheit gegenüber der Staatsanwaltschaft her, sondern führt darüber hinaus einen detaillierten Nachweis zu Fehlern und Beweislücken auf Seiten der Anklagevertreter. Vor diesem Hintergrund können durch Strafverteidiger sehr effektive und gezielte Beweis- und andere mitunter verfahrensentscheidende Anträge gestellt werden. Besondere Bedeutung kommt der computergestützten Analyse gerade auch zur Verhinderung einer Anklageschrift zu. Insbesondere dann, wenn mit einer Schutzschrift die Einstellung des Ermittlungsverfahrens angestrebt wird. Die Ergebnisse der Analyse fließen in die Antragsbegründung ein.