Das deutsche Strafverfahren ist vom Grundsatz der Wahrheitsermittlung geprägt (§ 244 Abs. 2 StPO). Allerdings gilt dieser Grundsatz nicht schrankenlos: In bestimmten Fällen darf ein an sich beweiserhebliches Mittel nicht für die Urteilsfindung genutzt werden. Diese Einschränkung wird als Beweisverwertungsverbot bezeichnet. Es kann gesetzlich normiert oder ungeschrieben sein.
Einige Vorschriften der Strafprozessordnung schließen die Verwertung ausdrücklich aus. Ein prägnantes Beispiel ist § 136a Abs. 3 Satz 2 StPO: Aussagen, die unter Verstoß gegen das Verbot unzulässiger Vernehmungsmethoden (z. B. Zwang, Täuschung, Drohung) erlangt wurden, dürfen unter keinen Umständen verwertet werden. Gleiches gilt etwa für das Verbot der Verwertung von Äußerungen zeugnisverweigerungsberechtigter Personen ohne deren Zustimmung (§ 252 StPO). Diese Verbote wirken absolut, d. h. ohne Abwägung zwischen Strafverfolgungsinteresse und Persönlichkeitsrechten.
Neben den ausdrücklich geregelten Fällen hat die Rechtsprechung – insbesondere der BGH – ungeschriebene Verwertungsverbote entwickelt. Hier unterscheidet man:
Unselbständige Beweisverwertungsverbote: Sie setzen ein rechtswidriges Vorgehen bei der Beweiserhebung voraus. Ob der Verstoß ein Verwertungsverbot nach sich zieht, ist – soweit nicht absolut – im Wege einer Abwägung zu klären. Maßgeblich sind u. a. Gewicht und Art des Verstoßes, die Schwere der Tat und die betroffenen Rechtsgüter. Bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Rechtsverletzungen ist eher von einem Verbot auszugehen (vgl. BGH, Beschl. vom 17.02.2016).
Selbständige Beweisverwertungsverbote: Hier ist bereits die Beweiserhebung rechtmäßig, die spätere Verwertung aber unzulässig – etwa bei Eingriffen in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung (Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG), z. B. heimliche Tagebuchaufzeichnungen oder intime Gespräche.
Fehlt eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, zieht die Rechtsprechung zur Entscheidung die sog. Abwägungslehre heran. Danach sind Strafverfolgungsinteresse und Persönlichkeitsrechte des Betroffenen gegeneinander zu gewichten. Ein Verwertungsverbot ist Ausnahme und kommt vor allem in Betracht, wenn staatliche Stellen planmäßig/sistematisch grundlegende Verfahrensrechte missachten (vgl. BGH, Urt. vom 03.08.2022 -5 StR 203/22).
Nach ständiger BGH-Rechtsprechung muss der Verteidiger der Verwertung unzulässig gewonnener Beweise spätestens bis zum Schluss der Beweisaufnahme form- und fristgerecht widersprechen, um das Rügerecht zu wahren (sog. Widerspruchslösung; vgl. BGH, Beschl. vom 16.02.2016 – 5 StR 10/16).
Verstoß gegen den Richtervorbehalt (§§ 81a, 105 StPO): Bei willkürlicher Umgehung wird ein Beweisverwertungsverbot angenommen (vgl. OLG Naumburg, Beschl. vom 05.11.2015 – 2 Ws 201/15).
Privat erlangte Beweise: Grundsätzlich verwertbar, es sei denn, der Staat hat den Rechtsverstoß veranlasst oder es liegt ein Eingriff in den Kernbereich privater Lebensgestaltung vor.
Videoüberwachung & verdeckte Ermittler: Verdecktes Ausfragen eines schweigewilligen Beschuldigten durch eingeschleuste Mitgefangene kann wegen Verstoßes gegen das Selbstbelastungsverbot unverwertbar sein – hier verneint (vgl. BGH, Beschl. vom 01.12.2016 – 3 StR 230/16).
Fazit
Das Beweisverwertungsverbot ist ein zentrales Element des rechtsstaatlichen Strafverfahrens. Es schützt Grundrechte der Bürger und sorgt dafür, dass der Staat seine Machtbefugnisse nicht missbräuchlich einsetzt. Absolute Verbote stehen von vornherein fest; in allen anderen Fällen ist eine differenzierte Abwägung vorzunehmen. Für die Verteidigung ist entscheidend, frühzeitig zu prüfen, ob ein Verwertungsverbot in Betracht kommt, und rechtzeitig zu widersprechen.