Die doppelte Befangenheit zweier Richter
Zum Thema Befangenheit gibt es an sich nicht viel zu bemerken. Denn befangene Richter gibt es in der Praxis eigentlich nie. Eigentlich. Und wenn es doch mal einen geben sollte, ja dann passiert eben das, was gerade am Amtsgericht Uelzen passierte:
Der Befangenheitsantrag und seine Begründung
Der Angeklagte stellte einen Befangenheitsantrag (§ 24 StPO) gegen den Vorsitzenden und stützte ihn darauf, dass zwei Jahre zuvor in einem anderen Verfahren derselbe Richter zum selben Sachverhalt einen (anderen) Angeklagten und Geschäftsführer eines Unternehmens wegen Subventionsbetrug mit Strafbefehl verurteilt hatte. Das allein wäre kein Grund gewesen, von einer Befangenheit im jetzigen Verfahren auszugehen. In dem damaligen Strafbefehlsverfahren hatte der Vorsitzende aber Tatbeiträge des jetzigen Angeklagten aufgeführt, die er ihm dort namentlich zuordnete. Genau die sind Gegenstand des jetzigen Verfahrens.
Die dienstliche Äußerung des Richters fiel dürftig aus. Er habe sich in dem Strafbefehlsverfahren keine Meinung zu Tatbeiträgen des jetzt Angeklagten bilden müssen. Die Frage des Angeklagten darauf, warum er es dennoch tat, blieb unbeantwortet. Vor Schreck vergaß der befangene Unbefangene zu erklären, dass er nicht befangen sei.
Finale Subsumtion – Schutzschrift für Richter statt Beschluss über Befangenheitsantrag
Es folgte was folgen musste, wenn ein Richter über einen Befangenheitsantrag nicht nach dessen Inhalt entscheidet, sondern mit der finalen Zielsetzung handelt, den für befangen erklärten Richter zu halten. Finale Subsumtion eben. Der den Antrag zurückweisende „Beschluss“ ist schon handwerklich eine Peinlichkeit. Denn man könnte doch dann wohl zumindest erwarten, dass ein gefakter Beschluss den Fake auch verdeckt, indem er eine scheinbar hochintelligente Begründung enthält, die geschickt das kumpane Tun verdunkelt. Weit gefehlt. Gerade daran ermangelt es dem putzigen Machwerk. In der Schutzschriftbegründung gibt der Richter korrekt die Umstände wieder, mit denen der Befangenheitsantrag begründet wurde. Dann folgen korrekte amtsrichterliche Ausführungen, wie der BGH die Befangenheit im Falle der Vorbefasstheit eines Richters sieht und wann sie bei Vorliegen bestimmter Umstände begründet sein kann. Schön abgeschrieben. Statt nun darzulegen, ob die dargelegten Umstände solche sind, die eine Befangenheit begründen können oder nicht, folgt Leere. Es heißt lapidar, es seien gar keine Umstände vorgetragen worden.
Die verständliche Kumpanei des Richters
Ich habe Verständnis für den entscheidenden Richter, dass er eben genau diese Auseinandersetzung mit den vorgetragenen Umständen scheute wie der Teufel das Weihwasser. Denn dann hätte er die im Vorverfahren bereits dem jetzigen Angeklagten zugeschriebenen Tatbeiträge, die im hiesigen Verfahren erst der Meinungsbildung unterliegen dürfen, als Befangenheit werten müssen.
Kein Maßstab für Berliner Richter
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass solch teuflisches Richtertun in Berlin niemals passieren würde! Auch nicht in München oder Hamburg. In Moskau schon. Und in Uelzen natürlich. Wenn ich das unserem verständigen Mandanten verständig und im Brustton der Überzeugung sage, wird er noch verständiger sein und für die beiden Uelzener Kunpaneirichter beten.
Hier die Schutzschrift des Amtsrichters. Allgemeine Erläuterungen zu Befangenheitsanträgen sind hier zu finden.
Auch wenn es angesichts Ihrer Diktion möglicherweise zwecklos ist: Es sind doch auch keine relevanten Umstände vorgetragen worden, aus denen aus der Vorbefasstheit mit dem Strafbefehl auf eine Befangenheit geschlossen werden könnte. Worin sollen die denn liegen? Dem Erlass des Strafbefehls liegt eine Prüfung des von der StA erstellten Antrages auf Basis der Akten zugrunde. Wenn in dem Strafbefehl also etwas über evtl. Tatbeiträge eines Dritten steht, lässt sich allein aus dem Erlass des Strafbefehls deshalb doch nicht schließen, dass sich der Tatrichter bereits ein Urteil über den Dritten gebildet hat, denn gegen den richtet sich der Strafbefehl doch gar nicht. Anders könnte es sein, wenn aufgrund des Einspruchs eine Hauptverhandlung über den Strafbefehl stattgefunden hat und der erkennende Richter dort Äußerungen zum Tatbeitrag des Dritten macht, die den Eindruck erwecken könnten, er sei von dessen Tatbeteiligung überzeugt. Aber davon schreiben Sie ja nichts.
Zuletzt: die eigene Erklärung, man sei „nicht befangen“ ist zwar leider häufig, aber unsinnig. Denn darauf kommt es nun wirklich nicht an und eine solche Aussage gehört auch nicht in die dienstliche Äußerung.
Legen Sie doch einfach mal dar, welche unter die auch von Ihnen für richtig erachteten Obersätze zu subsumierenden Tatsachen zu einer Befangenheitserklärung in dem konkreten Fall führen müssten. Das würde den unbefangenen Leser wahrscheinlich mehr überzeugen, als Ihre verbalen Tiefschläge.
Man könnte sich aber auch fragen, warum man ernsthaft einen Richter ablehnt, weil der vor 4 Jahren in einem Strafbefehlsverfahren, in dem er lediglich nach Aktenlage entschieden hat, die im Strafbefehlsantrag umschriebenen Handlungen des jetzigen Angeklagten mit unterzeichnet hat. Es ist ja schon einigermaßen glasklare obergerichtliche Rechtsprechung, dass derartige Vorbefassung überhaupt nicht ausreicht für eine Befangenheit, wenn nicht besondere Umstände hinzukommen.
Vielleicht sollte man das, was Verteidiger manchmal veranstalten, bandenmäßigen Budenzauber nennen?
Bandenmäßiger Budenzauber der Anwälte ist ebensowenig auszuschließen wie Richterkumpanei. Aber im Ernst: klar gibt es dazu die eindeutige Rechtsprechung der Obergerichte. Aber was ist das für ein Argument? Ich stelle sie im konkreten Fall in Frage. Das sollte man bei passender Gelegenheit auch konsequent tun. Gelegentlich führen solche Dinge dann auch zur Änderung der Rechtsprechung. Ich bin in der Praxis recht gut damit gefahren, höchstrichterliche Rechtsprechung nicht immer als Wort Gottes zu nehmen und sie statt dessen zu hinterfragen. Wie hier.
Passiert in der Pressekammer Hamburg dutzendfach.
Berichtet man über eine Verhandlung im Internet, dann urteilen die gleichen Richter über den Berichterstatter. Im Bericht würde ein falscher Eindruck erzeugt, die Regeln der Verdachtsberichtewrstattung seien nicht eingehalten worden. Schwups ergeht eine Einstweilige Verfügugn auf Antrag des, über den man berichtet hat, und zu Gunsten dessen die Richterinnen und Richter seinerzeit entschieden hatten.