Versicherungsbetrug, Rechtsanwalt, Strafrecht,Urlaubsreise, Pauschalurlaub
Rechtsanwalt Oliver Marson

Wie aus einer stornierten Pauschalreise ein versuchter Versicherungsbetrug wurde.

Die schönste Zeit des Jahres steht wieder vor der Tür und viele Familien warten fieberhaft auf den Antritt ihres Jahresurlaubs. So auch die Familie meines Mandanten, die bereits Monate vorher eine dreiwöchige Pauschalreise in die Türkei gebucht und zur Sicherheit gleich eine Auslandskrankenversicherung abgeschlossen hatte. Ca. eine Woche vor Reiseantritt klagte jedoch die kleine Tochter meines Mandanten über Bauchweh, das auch nach mehrmaligem Aufsuchen eines Arztes nicht nachließ. Die lang geplante Urlaubsreise drohte zu scheitern, mit der Folge, dass die Familie auf den Stornokosten des Reiseveranstalters sitzen bleiben würde.

Da kam mein Mandant auf die Idee, noch schnell eine Reisekostenrücktrittsversicherung abzuschließen.

Es kam, wie es kommen musste. Wenige Tage nach Vertragsabschluss hätte man die Türkeireise antreten sollen, musste sie aber wegen des Verdachtes einer Blinddarmentzündung der kleinen Tochter stornieren.

Die Stornokosten beliefen sich auf 80 % des bereits gezahlten Reisepreises und wurden unter Verwendung eines von der Versicherung zur Verfügung gestellten Schadensformulars geltend gemacht.

Dem Sachbearbeiter der Reisekostenrücktrittsversicherung fiel die zeitliche Nähe zwischen Vertragsabschluss, geplanten Reisebeginn und Stornierung sofort auf. Die Folge war, dass bei dem behandelnden Arzt die kompletten Krankenunterlagen eingeholt wurden, aus denen sich ergab, dass die kleine Tochter meines Mandanten bereits Tage vor Versicherungsabschluss erkrankt war und über Bauchweh klagte.  Somit drängte sich für den Versicherer der Verdacht auf, dass bei der Tochter eben keine „unerwartete schwere Erkrankung“, wie es in den Versicherungsbedingungen der Reisekostenrücktrittsversicherung heißt, vorlag. Sie lehnte den Versicherungsschutz ab und erstattet Anzeige bei der Berliner Staatsanwaltschaft wegen des Verdachtes des versuchten Betruges gem. § 263 StGB.

Das Amtsgericht Tiergarten erließ letztendlich gegen meinen Mandanten einen Strafbefehl mit einer saftigen Geldstrafe, gegen den ich Einspruch einlegte.

In der Hauptverhandlung wurden vom Gericht diverse Atteste und die von der Versicherung beigezogenen Krankenunterlagen verlesen (§ 249 Abs.1 StPO), aus denen sich ergeben sollte, dass die Tochter eben nicht „unerwartet“ kurz vor Reiseantritt erkrankte, worauf die Verteidigung der Verwertung widersprach, da keine wirksame Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht vorlag.

Die Versicherung hatte sich zwar eine vorformulierte Entbindungserklärung von meinem Mandanten unterschreiben lassen, diese war jedoch so vorformuliert, dass mein Mandant seine behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entband, aber nicht, dass er als Erziehungsberechtigter für seine minderjährige Tochter die behandelnden Ärzte seiner Tochter von deren Schweigepflicht entband. Damit lag keine Entbindungserklärung der Patientin vor. Die Krankenunterlagen wurden beim Arzt unter Hinweis auf eine angeblich vorliegende Entbindungserklärung der Patientin abgefordert, ohne dass tatsächlich die Patientin ihren Arzt des Vertrauens entbunden hatte.

Nach meinem Eindruck werden in der Praxis des Öfteren Patientendaten an Versicherungen, Behörden und Gerichte herausgegeben, ohne dass eine wirksame Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht vorliegt. Auf diesen Umstand sollte jeder Verteidiger daher ein besonderes Augenmerk haben.

Im vorliegenden Fall wurde das Verfahren eingestellt, weil mein Mandant ohne diese Krankenunterlagen nur schwer des versuchten Versicherungsbetruges hätte überführt werden können.