Zur Antragspflicht nach § 15a InsO und dem Unterschied zwischen Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsstockung

Insolvenzverschleppung
Rechtsanwalt Oliver Marson

Der Fall

Mein Mandant, ein Geschäftsführer einer kleinen Baufirma, geriet in das Visier der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Wirtschaftskriminalität, weil sein zuständiges Vollstreckungsgericht gemäß MiZi eine entsprechende Mitteilung über eine Reihe von Vollstreckungsmaßnahmen gegen die Baufirma veranlasste.

Es lag weder ein Fremd- noch ein Eigenantrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vor.

Die Staatsanwaltschaft eröffnete ein Ermittlungsverfahren und machte ihm den Vorwurf der Insolvenzverschleppung nach § 15a InsO. Sie meinte, er hätte bereits ein Jahr zuvor einen Antrag stellen müssen, obwohl sich das Unternehmen inzwischen wieder finanziell erholt und seine Schulden weitestgehend getilgt hatte.

Der Tatbestand

Zur Antragspflicht nach § 15a Abs.1 InsO, hat der oder die Geschäftsführer des Unternehmens einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen, wenn Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegt. Spätestens jedoch drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung.

Es besteht keine Antragspflicht nach § 15a InsO bei drohender Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 InsO.

Als allgemeiner Eröffnungsgrund gilt die Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs.1 InsO, die nach § 17 Abs.2 InsO gegeben ist, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Angenommen werden kann dies, wenn der Schuldner seine Zahlungen einstellt. Vorübergehende geringfügige Liquiditätslücken rechtfertigen ein Insolvenzverfahren nicht.  Insofern ist zwischen Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsstockung, also der vorübergehenden Liquiditätsschwäche des Unternehmens, zu unterscheiden.

Die Zahlungsunfähigkeit

Die Zahlungsunfähigkeit wiederum ist Ausdruck des Unvermögens des Schuldners, seine Geldschulden zu begleichen und stellt eine zeitbezogene Beurteilung eines gewissen Zustandes dar, welcher die Insolvenz zwar regelmäßig spät auslöst, aber als Insolvenzeröffnungstatbestand ökonomisch legitimiert ist. Um feststellen zu können, ob der Schuldner zahlungsunfähig ist, lässt sich nur an Hand eines Stichtags bezogenen Liquiditätsstatus feststellen. Nur an Hand dieses Status lässt sich beurteilen, wo die Liquiditätslücken bestehen, wie groß sie sind und ob sie von Dauer sind. In der Praxis lässt sich häufig ein solcher Liquiditätsstatus erst im Nachhinein beweissicher feststellen. Die Lebenswirklichkeit sieht häufig anders aus. Was hier an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden soll.

Tatsache ist, dass jedoch erst ein solcher Liquiditätsstatus zu einem bestimmten Stichtag geeignet ist, die Zahlungsunfähigkeit festzustellen. In dieser Stichtagsbilanz werden verfügbare Zahlungsmittel und die zu diesem Zeitpunkt fälligen unstreitigen Zahlungsverpflichtungen gegenüber gestellt.

Die drohende Zahlungsunfähigkeit

Bei sog. drohender Zahlungsunfähigkeit (§18 InsO) kann, aber muss der Schuldner keinen Insolvenzantrag stellen. Es soll ihm die Möglichkeit eröffnen, noch vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung einen Eröffnungsantrag zu stellen, um so die Chancen einer Sanierung des Unternehmens im Rahmen des Insolvenzverfahrens zu erhöhen (Braun, InsO, 7.Auflage, §18, RNr.1,2).

Die Beurteilung der drohenden Zahlungsunfähigkeit erfolgt Zeitraum bezogen. Für welchen Zeitraum hier eine Prognose anzustellen ist, ist streitig. In der Literatur variieren die Ansichten zwischen wenigen Monaten bis zu mehreren Jahren (a.a.O., RdNr. 8).

Um den Eröffnungstatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit in Anspruch nehmen zu können, müssen die in § 17 Abs.2 InsO vorgegebenen Kriterien der Zahlungsunfähigkeit voraussichtlich, also mit überwiegender Wahrscheinlichkeit, eintreten. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit mit einer Wahrscheinlichkeit von über 50% gegeben ist. Um die drohende Zahlungsunfähigkeit zu prüfen, ist ein Finanzplan zu erstellen, in dem alle bestehenden  Zahlungsverpflichtungen unabhängig von ihrer Fälligkeit einbezogen werden. Ebenfalls sind die vorhandene Liquidität und die zu erwartenden Einnahmen zu berücksichtigen. Hierbei sind die im Liquiditätsstatus aufgeführten Positionen dynamisch weiter zu entwickeln (Hess, Insolvenzrecht,2003, RdNr. 67).

Das Tatbestandsmerkmal der Zahlungsunfähigkeit ist dann erfüllt, wenn zu jedem beliebigen Zeitpunkt die verfügbaren Zahlungsmittel die jeweiligen Auszahlungen nicht decken. Hierzu ist eine Prognose, wie bereits erwähnt, von Nöten, die eine Objektivierung des Insolvenztatbestandes gewährleisten kann.

Die Einstellung

Im vorliegenden Fall war die Ermittlungsbehörde hierzu nicht in der Lage, so dass die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen meinen Mandanten auf meinen Antrag gem. § 170 II StPO einstellte.